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Kinderferienlager in Kriegszeiten

Nikolai Boboschko · 15. Dezember 2022
Bis zu 140 Kinder kamen zur Kinderfreizeit zusammen
Bis zu 140 Kinder kamen zur Kinderfreizeit zusammen

Das diesjährige Kinderferienzeltlager wurde begleitet von ganz anderen Vorzeichen als in den Jahren zuvor. In der Ukraine herrscht seit dem 24. Februar 2022 Krieg und diese Situation hatte natürlich Auswirkungen auf das ganze Land – wie uns allen bekannt ist – und selbstverständlich auch auf die Frage: können wir unter diesen Bedingungen überhaupt ein Ferienzeltlager stattfinden lassen? Der Koordinator vor Ort der bisherigen Kinderzeltlagerveranstaltungen am Schwarzen Meer, Nikolai Boboschko, hat einen Bericht verfasst, den ich Ihnen hier übersetzt weitergeben möchte. Dieser Bericht schildert sehr genau die besondere Lage, unter der die Veranstaltung in diesem Jahr unter veränderten Bedingungen und in verkürzter Form, durchgeführt wurde. Uns macht es deutlich, wie wichtig und richtig es gewesen ist, trotz der ungünstigen Umstände, diese Veranstaltung für die Kinder und ihre Familien stattfinden zu lassen: ein Stück Menschlichkeit in dieser von Gewalt und Hass geprägten Zeit. Birgit Pioch



24. Februar 2022, 5 Uhr morgens – Mein Mobiltelefon ist voll von Nachrichten. Ich kann kaum begreifen, was passiert ist. Und es ist das eingetreten, was befürchtet wurde, aber doch irgendwie niemand erwartet hat: Krieg. Nur fünf Buchstaben, aber sie haben unser Leben verändert. Ich betrete das Schlafzimmer, in dem unser 2-jähriger Sohn tief und fest schläft. Er weiß noch nicht, dass heute sein erster Kriegsmorgen ist und es ist gut, dass er es nicht so bald herausfinden wird. Die älteren Kinder sind schon wach. „Papa, ist das ein echter Krieg?“, fragen sie, und – „Papa, warum gibt es einen Krieg?“ – „Werden Menschen in einem Krieg getötet?“

Mir selbst ist klar geworden, dass es Vieles gibt, das ich nicht weiß. Ich weiß nicht einmal, wie ich die Fragen meiner Kinder beantworten soll. Luftangriff, Beschuss, Flüchtlinge, Verwundete, Tote. Wir beginnen zu begreifen, wie viel Kummer und Elend der Krieg gebracht hat. In einem Augenblick wurde unser komplettes Leben verändert. Aber unser Kummer brachte uns näher zusammen und verband uns. Flüchtlinge reisten von Ost nach West durch unser Land. Sie verbringen die Nacht in unseren Häusern. Wir teilen, was wir können. Angst und Schrecken sind selbst in den Augen von Kindern zu sehen. Wie können wir Menschen trösten, die in ihrer Heimat Angehörige verloren haben? Wie können wir Menschen ermutigen, denen von allem nur noch ein Koffer geblieben ist? Mir fehlen die Worte, mein Herz ist traurig und ich habe einen Kloß im Hals. Nur Gott kann seine Gnade über verwundete Seelen und Herzen ausschütten. Nach einigen Kriegstagen fährt unser 18-jähriger Sohn Philipp nach Kiew, um Flüchtlinge mitzunehmen. Ich habe schreckliche Schmerzen und hoffe, dass Gott unsere Gebete erhört und ihn bewahrt.

Nach reiflicher Überlegung legten wir das endgültige Datum für den Beginn des Kinderferienzeltlagers fest – den 24. August 2022. Je näher der Termin rückte desto unsicherer wurde es, ob wir das Camp durchführen konnten. Es gab Gerüchte, dass zu diesem Zeitpunkt eine vierundzwanzigstündige Ausgangssperre verhängt werden könnte. Uns blieben nur Gebete….

Gott sei Dank kamen am 24. August um 9.00 Uhr die ersten Kinder: es waren insgesamt ca. 90 Kinder, die an diesem Tag ihren Weg zu uns fanden. Aus Sicherheitsgründen fand die Veranstaltung in diesem Jahr nicht in Zelten am Strand des Schwarzen Meeres statt, sondern in unserem Gemeindehaus in Nerushai. Am nächsten Tag, dem 25. August 2022 kamen bereits 120 Kinder, tags darauf waren es sogar 140 Kinder. Das Kinderferienlager fand vom 24.08. – 28.08.2022 statt.

Mit jedem Tag wurden die Kinder offener, gesprächiger und vertrauensvoller. Einige von ihnen haben Väter und Brüder, die im Krieg sind. Sie bitten uns, für ihre Angehörigen zu beten. Einige Tage später kommen mehrere Mütter und bedanken sich unter Tränen für unsere Arbeit mit ihren Kindern. Das Kinderferienlager beginnt um 9.00 Uhr. Ein gemeinsames Frühstück, Bibelstunde, Spiele, Singstunde, Kreativgruppen, Mittagessen, kleine Ausflüge, Sportgruppen und Abendessen sind unser tägliches Programm. Für 18.00 Uhr ist die Heimfahrt geplant. Das Problem war der Transport der Kinder zu unserem Gemeindehaus und wieder nach Hause. Wir mussten 14-15 Kinder in einem 9-Personen-Bus mitnehmen. Benzin ist in diesen Zeiten knapp. Mehrmals am Tag wurde Fliegeralarm ausgelöst. Aber Gott sei Dank haben viele für unser Kinderferienlager gebetet und Gott war mit seiner Gnade bei uns an jedem Tag.

Vielen Dank, dass Sie alle dazu beigetragen haben, den Kindern Hoffnung, Liebe und Glauben zu schenken. Ohne Ihre großzügige Spende wäre das Kinderferienlager nicht möglich gewesen.

Mögen unsere Herzen offen bleiben für Mitgefühl, Liebe, Opferbereitschaft und Gebet.

„… was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“

Matthäus 25:40

„Papa, wann ist der Krieg vorbei?“ – Ich weiß es nicht. Das weiß nur Gott allein.