Jeder Tag war der schönste Tag
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privat
Sommercamp für Jugendliche aus Sarata in Kirchheim-Teck
Wenn man die 14- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler aus Sarata fragte, welcher Tag der schönste in Kirchheim gewesen sei, dann hieß es: „Jeder Tag war der schönste Tag.“
Es stimmte einfach alles in den Tagen vom 20.07. bis zum 29.07.2024 für die 20 Schülerinnen und Schüler und drei Lehrkräfte aus Sarata, angefangen beim Wetter bis hin zur Unterkunft in Kirchheimer Gastfamilien und einem nicht zu toppenden abwechslungsreichen Programm, das die Bereiche Sport, Kultur und Natur berücksichtigte.
Seit seinem ersten Besuch in Sarata im März 2024 steht der Kirchheimer Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader in Kontakt mit der dortigen Administration und mit dem Schulleiter des Sarataer Lyzeums, Roman Kovshik. Sein Versprechen, Kinder und Jugendliche in ein Sommercamp nach Kirchheim-Teck einzuladen, damit sie sich der bedrückenden Kriegssituation im Land für einige Tage entziehen können, hat Dr. Bader in kürzester Zeit eingelöst.
Neben seinen vielfältigen Verwaltungsaufgaben gelang es ihm und seinem Team, alle organisatorischen Notwendigkeiten zu erledigen, so dass der Aufenthalt für die jungen Gäste zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde.
Da die Reisegruppe aufgrund der problemlosen Grenzübertritte schon am Samstagmorgen, den 20.07. mit dem Bus in Kirchheim-Teck eintraf – einen Tag früher als geplant – hieß es für die Gastfamilien und für Oberbürgermeister Dr. Bader, dessen Familie ebenfalls vier bessarabische Gäste beherbergen würde, sich spontan ein zusätzliches Tagesprogramm für den Sonntag einfallen zu lassen.
Glücklicherweise fand am Sonntagmorgen die Eröffnung der Spiele für den Teckbotenpokal statt, so dass die fußballbegeisterten Ukrainer die lokalen Fußballgrößen begutachten konnten. Im Rahmen der angestrebten Solidaritätspartnerschaft zwischen Kirchheim-Teck und Sarata wird Solidarität nicht nur durch Worte und Symbolhandlungen geäußert, sondern auf verschiedenen Ebenen wird Solidarität praktisch gelebt.
So haben sich beispielsweise zwei Kirchheimer Schulen, das Ludwig-Uhland-Gymnasium (LUG) und die Freihofrealschule (FRS) bereiterklärt, mit dem Sarataer Lyzeum eine Kooperation einzugehen.
Ein volles Programm erwartete die Gäste schon am Montag, dem Projekttag am LUG. Am Vormittag konnten die Jungs an einem Fußballmatch teilnehmen, bei dem sich die Sarataer den Kirchheimern weit überlegen zeigten.
Die offizielle Begrüßung der Gäste durch Oberbürgermeister Dr. Bader fand am Nachmittag im Großen Sitzungssaal des Rathauses statt. Ebenso begrüßte ein Vertreter der Baden-Württemberg-Stiftung, die einen großen Teil der Kosten trägt, die ukrainischen Gäste. Nach einem Imbiss im Rathaus und einem Stadtrundgang wurde der Tag mit dem Sommerfest im Schulhof des LUGs beschlossen.
Der nächste Tag galt dem Sightseeing auf der Schwäbischen Alb. Hoch über dem Örtchen Lichtenstein erhebt sich das gleichnamige „Märchenschloss“ aus dem 19. Jh., von dessen Anblick die Sarataer Jugendlichen sofort verzaubert waren. Zwar hatte nicht Dornröschen selbst durch die Räume geführt, sondern ein Englisch sprechender junger Mann. Dafür konnten die Gäste, die alle Englisch beherrschen, viel über die Württembergische Geschichte erfahren.
Vom hochgelegenen Schloss Lichtenstein ging es am Nachmittag tief hinab in die Nebelhöhle, wo bei 8°C etwas fröstelnd die imposanten Tropfsteingebilde bewundert wurden.
Der Mittwoch blieb wieder der zukünftigen Partnerstadt Kirchheim-Teck vorbehalten. Ein Quizrundgang in der Innenstadt, der Besuch eines Stuntwerks und eines Jugendtreffpunktes standen auf dem Programm. Ein Höhepunkt war die Bekanntschaft mit den „Kirchheim Knights“ (2. Basketball-Bundesliga) einschließlich Basketballtraining. Ziemlich ausgepowert, aber glücklich kehrten am Abend die Sarataer Jugendlichen in ihre Gastfamilien zurück.
Für den Donnerstag und Freitag waren Ausflüge in die Landeshauptstadt geplant: Die Wilhelma (Zoo), das Planetarium, das Mercedes-Benz-Museum und die VfB-Fußball-Akademie sowie die Arena begeisterten die Jugendlichen.
Last but not least besuchten sie am Freitagnachmittag das Heimatmuseum des Bessarabiendeutschen Vereins in Stuttgart, wo sie der Bundesgeschäftsführer Dr. Hartmut Knopp herzlich willkommen hieß und durch das modern gestaltete Museum führte. Durch eingestreute bessarabische Anekdoten erheiterte Dr. Knopp immer wieder die Gäste. Das neue Geschichtsbewusstsein der jungen Leute offenbarte sich durch etliche Aha-Momente und kluges Nachfragen.
Obwohl dicht gedrängt, stillte das offizielle Programm offenbar den Erlebnishunger der jungen Sarataer nicht. An den Abenden ging´s jeweils noch zum Schwimmen, Radfahren, Shopping….
Warum heißt Kirchheim „KirchheimTeck“? Es wurde gerätselt: Vielleicht ist die „Teck“ ein Fluss?
Um sich die Teck ein für alle Mal einzuprägen, wanderten die Gäste am Samstag zusammen mit dem Oberbürgermeister und einigen Gastfamilien von Bissingen hoch zur Burg Teck. Die ca. 360 Höhenmeter zu überwinden, tat sich mancher etwas schwer, denn der steile Albtrauf lässt sich mit nichts in der flachen Hügellandschaft des Budschak vergleichen.
Oben angekommen, lohnte die fantastische Aussicht den beschwerlichen Aufstieg.
Das Abschiedsessen mit der Gruppe und den Gastfamilien fand am Abend in einem Restaurant statt. Hier ergriff der Oberbürgermeister das Wort, um eine Rückschau auf die Anfänge der Beziehungen zwischen Kirchheim-Teck und Sarata zu halten. Der Schulleiter des Sarataer Lyzeums dankte Dr. Bader und allen an diesem wunderbar gelungenen Projekt Beteiligten, ebenfalls ein Sarataer Schüler in perfektem Englisch.
Hervorheben möchte ich den besonderen Einsatz der Ehefrau des Oberbürgermeisters, Brigitte Bader. Sie hat neben ihrer eigenen Familie mit zwei Kindern und der Bewirtung der vier ukrainischen Gäste in diesen Tagen eine Spendenaktion für Balkonkraftwerke plus Luftreiniger für Sarata gestartet, die bis Mitte August läuft. Die Geräte werden im Sarataer Lyzeum installiert, damit die häufigen Stromausfälle weitgehend kompensiert werden können.
Bisher sind fast 5.000,- € zusammengekommen, so dass die ersten Solarmodule im Bus nach Bessarabien mitgenommen werden konnten. Wer sich für dieses Projekt interessiert, kann sich im Internet unter „betterplace.me Balkonkraftwerke für Sarata/ Ukraine“ informieren.
Inzwischen sind die ukrainischen Jugendlichen und ihre Lehrer wieder in Sarata eingetroffen, sind dem täglichen Alarm und ihrer Angst ausgesetzt, werden Stunden in Bunkern verbringen müssen. Ich bin überzeugt, dass sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken, die sie in Kirchheim-Teck sammeln konnten, zehren werden. Darauf aufbauend werden sicherlich entstandene Beziehungen vertieft und gepflegt.
P.S.: Überraschung:
Meine Mutter, Ella Fano, fand nach dem Spendenaufruf in der lokalen Presse und dem Bericht über das Sommercamp der Sarataer Jugendlichen in Kirchheim-Teck ein Kuvert mit der Aufschrift „Sarata“ und 100,- € Inhalt in ihrem Briefkasten. Auf diesem Wege möchte ich dem anonymen Spender herzlich danken und ihm zusichern, dass die Spende in Sarata ankommt.