Hilfstransport nach Akkerman und Klöstitz

Hildegunde Krispin
Am 24. November 2024 konnten wir mit unserem kleinen Hilfstransport in die Ukraine starten. Unser Ziel waren die Dörfer im ehemaligen Bessarabien. Hier lebten unsere Vorfahren 125 Jahre als Kolonisten.
Für Karin Bruckner war es ein Herzenswunsch zu sehen, wie es unseren Freunden in der Ukraine geht. Ich stimmte gleich zu, dass ich da mitfahre. Man hat ja immer Informationen über die Medien, aber die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Unsere Reiseziele waren Akkerman und Klöstitz. Als ich bei uns im Dorf erzählte, dass wir in die Ukraine fahren wollen, reagierten die Menschen verständnislos. „Wie könnt ihr euch in so große Gefahr begeben. Ihr fahrt in ein Kriegsgebiet!“
Wir dachten aber, wir müssen und wollen helfen. Etwas Angst war schon dabei. Aber unser Gottvertrauen war größer.
Zu unserem Team gehörten Jürgen Kraft, der uns sein Fahrzeug kostenlos zur Verfügung stellte, und Jürgen Helfrich. Beide Jürgen wechselten sich beim Fahren ab.
Jeder von uns hatte Sach- und Geldspen den gesammelt.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die durch ihre Spenden diesen Hilfstransport ermöglicht haben.
Es ist so viel zusammen gekommen, dass wir das Fahrzeug vollpacken und einen größeren Geldbetrag mitnehmen konnten. Es ist sinnvoll, den Menschen Geld zu geben, da man in der Ukraine alles kaufen kann. Aber die Menschen haben nicht genug Geld. Es ist alles sehr teuer geworden. Ein Kilogramm Mehl kostet einen Euro. Eine Rentnerin bekommt ca. 70 Euro Rente im Monat. Ein Zentner Kohlen kostet 40 Euro und ist von sehr schlechter Qualität. Die Öfen werden mit Holz beheizt. Holz muss aber auch für viel Geld gekauft werden. Oftmals ist das Holz frisch geschlagen und noch feucht. Feuchtes Holz brennt nicht gut. Manch eine Stube bleibt in diesem Winter kalt.
Unsere Reise startete in Abstatt (Baden-Württemberg). Wir hatten einen weiten Weg vor uns. Durch Österreich, durch Ungarn, durch Rumänien, bis fast ins Donaudelta. Dieser Weg war für uns auch ein großes Erlebnis. Zweimal mussten wir in Rumänien übernachten. Bei der zweiten Übernachtung hatten wir ein Hotel direkt an der Donau. Am gegenüber liegenden Ufer sahen wir die Lichter der Ukraine.
Am nächsten Morgen überquerten wir die Donau mit einer Fähre und wir waren in der Ukraine. Die Straße von der Donau ins Landesinnere ist sehr gut ausgebaut. Viele Waren werden hier mit LKWs transportiert, seitdem die Verschiffung über das Schwarze Meer nicht mehr möglich ist.
Auf dieser Strecke sind keine Löcher mehr in der Straße, so wie wir das von unseren früheren Reisen kannten. Wir kamen gut und sicher am Ziel an.
Wir sind gefahren, trotz aller Mühsal und auch Angst vor dem Kriegsgeschehen, aber es ist alles gut gegangen.
Wir wurden mit großer Herzlichkeit empfangen. Nach ukrainischer Tradition wurden wir mit Brot und Salz begrüßt. Auch ein Gläschen Wodka durfte nicht fehlen.
Unsere früheren Reisen nach Bessarabien fanden immer im Sommer statt. Jetzt war es November. Im Sommer scheint die Sonne und die Blumen blühen. Die Trauben sind reif und die Früchte reifen im Garten.
Jetzt in der kalten Jahreszeit konnten wir erst sehen, wie schwer es die Menschen in diesem Land haben. Viele Familien haben keinen Wasseranschluss im Haus. Die Toilette ist auf dem Hof. Die Not ist überall sichtbar.
Und dazu der wahnsinnige Krieg, der so viel Leid und Elend bringt.
Wir können uns den Alltag der Menschen sehr schwer vorstellen. Wir haben es erlebt, wenn die Sirenen heulen und man nicht weiß, wo die Bomben einschlagen. Für die Kinder ist es ganz besonders schwer. Sie müssen 2 bis 3 Mal in der Woche in den zu einem Bunker ausgebauten Keller in der Schule. Wir haben uns diese Bunkerräume angeschaut. Es ist beängstigend. Wenn der Strom ausfällt und das Aggregat läuft, stinkt der ganze Keller nach Diesel. Was macht das mit diesen Kindern?
In der Schule gibt es einen Klassenraum, in dem die Kinder einmal in der Woche unterrichtet werden, wie sie sich im Katastrophenfall zu verhalten haben. Der Krieg ist auch für die Kinder allgegenwärtig.
Darum war es uns ganz besonders wichtig, dass wir jedes Kind in Klöstitz beschenken. Leuchtende Augen und die Freude der Kinder haben uns für alles entschädigt. Das Bargeld, das wir mitgebracht hatten, haben wir dem ehemaligen Bürgermeister Pedro Gramatik übergeben. Wir kennen ihn gut und wir vertrauen ihm, dass er dieses Geld den Menschen gibt, die in einer großen Notlage sind.
Die Leute in Klöstitz haben uns gesagt: „Wir können es kaum glauben, dass im fernen Deutschland Menschen an uns denken und so viel Geld spenden!"
Wir haben es gespürt, dass wir Wärme und Licht in diesen schweren Kriegstagen in die Ukraine gebracht haben.
Die „Klöstitzer Mädle“ mit ihrem Chorleiter Igor haben für uns einen schönen Abend organisiert. Der Tisch war reich gedeckt, so wie wir es bei unseren früheren Besuchen schon immer kennen gelernt haben. Die Gastfreundschaft in der Ukraine ist sehr groß.
Auf der Bühne im Kulturhaus haben sie für uns gesungen und getanzt.
Trotz der schweren Kriegszeit haben die Frauen ihre Fröhlichkeit nicht verloren. Wir glauben, ohne die kleinen schönen Momente wäre das schwere Leben gar nicht zu ertragen.
Im Kulturhaus ist ein kleiner Altar aufgebaut mit Bildern der jungen Männer, die an der Front gefallen sind. Wir gedachten in einer Schweigeminute an den frühen, so sinnlosen Tod dieser jungen Menschen.
Tanja erzählte uns, dass ihr Sohn ein halbes Jahr an der Front war. Sie hat Tag und Nacht gebetet, dass er gesund nach Hause kommt. Er ist gesund nach Hause gekommen. Es waren neunzig junge Männer in seiner Einheit. Aber nur vierzig sind unversehrt zurück gekommen. Die anderen wurden getötet, verletzt oder vermisst. Es ist grauenhaft! Die Frauen und Mütter leben in ständiger Angst. Wir hoffen, dass ihre Gebete erhört werden und alle, die jetzt an der Front sind, wieder gesund nach Hause kommen.
Aber der Krieg ist noch nicht vorbei. Und wer weiß, wie viel Leid die Menschen in der Ukraine noch ertragen müssen.
Einen großen Teil unserer Hilfsgüter haben wir in Akkermann abgeladen. Hier lebt die Familie von Vasili. Vasili war mit seiner Frau und seinen drei Kindern am Anfang des Krieges nach Deutschland geflüchtet. Hier hatte er sich mit Jürgen Kraft und Jürgen Helfrich angefreundet.
Er ist in die Ukraine zurückgekehrt, um seinen Vater in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Sie betreiben eine große Landwirtschaft. Ihr Hotel, das sie am Schwarzen Meer errichtet hatten, wurde von einer Rakete getroffen und vollständig zerstört.
Vasili wusste nicht, dass wir mit einem Hilfstransport in die Ukraine kommen. Wir wollten ihn überraschen. Es war eine große Wiedersehensfreude.
Die Frauen veranstalteten einen Nachmittag mit Kaffee und Kuchen in einer Kirchengemeinde in Akkermann. Die Sachen wurden auf großen Tischen ausgelegt. Es war für jeden etwas dabei. Kleidung, Schuhe, Kosmetikartikel, Süßigkeiten und eine Tasche voll Brillen. Vielen bedürftigen Menschen konnte mit den Hilfsgütern eine große Freude bereitet werden.
Viel zu schnell mussten wir wieder Abschied nehmen. Wir waren nur einen Nachmittag und einen Abend in Klöstitz. Am nächsten Morgen mussten wir schon wieder die Heimreise antreten. Der Abschied fiel uns schwer. Wer weiß, ob wir uns wiedersehen. Obwohl die Leute nicht viel haben, wollte uns jeder etwas mitgeben. Sie machten uns Geschenke, die aus tiefstem Herzen kamen. Wir konnten sie nicht alle zurückweisen.
Wir beten zu Gott, dass er die Menschen in der Ukraine beschützt. Wir beten zu Gott, dass dieser wahnsinnige Machthaber in Russland diesen Krieg beendet und dass die Ukraine und die Menschen wieder Frieden bekommen.
Wir haben diese große Strapaze auf uns genommen und sind insgesamt 5000 Kilometer gefahren. Wir sind erschöpft, aber auch froh und glücklich, dass wir diese Reise gemacht haben.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren beiden Fahrern. Sie haben uns gut und sicher in die Ukraine gebracht und auch wieder zurück nach Deutschland. Vor Antritt der Reise kannten wir uns noch nicht, bei der Rückkehr trennten wir uns als Freunde. Bessarabien verbindet!
Wir haben große Freude erfahren mit unseren Hilfsgütern. Aber die Freude, dass wir unsere Freunde nicht vergessen haben, und dass wir an sie denken und für sie beten, das zählt für die Menschen, noch mehr als alle Geschenke.
Die Art des Gebens ist wichtiger als die Gabe selbst!