Die Bedeutung von deutschukrainischen Partnerschaften

Alexandra_Koch, pixabay.com; Bearbeitet durch Anne Seemann
Die ersten Städtepartnerschaften gab es zwischen der DDR und der Ukraine, die damals Teil der Sowjetunion war. Wie wichtig waren diese Partnerschaften später für die Entwicklung der Ukraine nach ihrer Unabhängigkeit 1991?
Seit Ende der 1980er Jahre haben viele Kommunen in der Bundesrepublik begonnen, Kontakte zu Städten in der Sowjetunion aufzubauen. Der Reformkurs unter Gorbatschow und Hilfsprojekte wie „Kinder für Tschernobyl“ haben diese Verbindungen gefördert. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 haben die Partnerschaften eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung des Landes gespielt. Sie haben den Austausch in den Bereichen Wissen, Kultur und Wirtschaft ermöglicht. Ein besonders gutes Beispiel ist die Verbindung zwischen Odessa und Regensburg. Schon 1988 hat die Universität Regensburg einen Partnerschaftsvertrag mit der Metschnikow-Universität unterzeichnet, 1990 wurde die Städtepartnerschaft offiziell geschlossen. Dadurch sind viele Freundschaften und Projekte entstanden, die bis heute aktiv sind. Der Austausch umfasst kulturelle, sportliche und soziale Initiativen sowie die Zusammenarbeit in Fachbereichen wie Inklusion, Nachhaltigkeit und Stadtentwicklung. Besonders in Krisenzeiten, wie dem aktuellen Krieg, leisten diese Partnerschaften wertvolle humanitäre Hilfe und tragen zur Stabilität in der Region bei.
Inwiefern hat der russische Angriffskrieg die Zusammenarbeit zwischen Odessa oder anderen ukrainischen Städten und ihren deutschen Partnerstädten beeinflusst bzw. verändert?
Der Fokus der Unterstützung hat sich deutlich von wirtschaftlichem Austausch hin zu humanitärer Hilfe und Solidarität verschoben. Städte wie Regensburg für Odessa oder Oberhausen für Saporischschja haben in kürzester Zeit Hilfsprojekte auf die Beine gestellt, um dringend benötigte Güter wie Medikamente, Lebensmittel und Schutzkleidung zu liefern. Außerdem haben sie Geflüchtete aufgenommen und finanzielle Unterstützung geleistet. Ein eindrucksvolles Beispiel für die praktische Hilfe ist die Übergabe von zehn Gelenkbussen durch die Stadtwerke Regensburg an die Stadt Odessa im Oktober 2023.
Bemerkenswert ist auch, dass sich seit Beginn des Kriegs die Zahl deutsch-ukrainischer Städtepartnerschaften mehr als verdoppelt hat. So hat der Senat der Freien Hansestadt Bremen im August 2022 ebenfalls beschlossen, eine Solidaritätspartnerschaft mit der Region Odessa aufzubauen, die im Juni 2023 formal besiegelt wurde. Bürgermeister Andreas Bovenschulte betonte, dass diese intensive Verbindung ohne die Unterstützung der Stiftung „Solidarität Ukraine“ nicht möglich gewesen wäre.
Welche Partnerschaften haben aus Ihrer Sicht aktuell die größte Bedeutung?
Aus meiner Sicht haben aktuell alle Partnerschaften eine immense Bedeutung, aber besonders Kiew und Leipzig stechen hervor. Kiew als Hauptstadt ist ein zentrales Symbol für den Widerstand der Ukraine. Die enge Partnerschaft mit Leipzig bietet nicht nur humanitäre Hilfe, sondern auch wichtige politische Unterstützung. Zudem hat Kiew seit September 2023 noch eine Partnerstadt in Deutschland: Berlin.
Gleichzeitig spielt die Verbindung zwischen Darmstadt und Ushgorod eine große Rolle, da Ushgorod eine wichtige westliche Stadt der Ukraine ist, wo viele Geflüchtete Schutz suchen und internationale Hilfe koordiniert wird. In Darmstadt ist der Verein Partnerschaft Deutschland-Ukraine/Moldova e.V (PDUM) sehr aktiv und unterstützt unser Land durch umfangreiche Maßnahmen.
Welche Rolle sehen Sie für Städtepartnerschaften beim Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg? Gibt es Pläne für zukünftige Projekte, die den Wiederaufbau und die Modernisierung unterstützen könnten?
Die erste Aussage, die ich in der Stiftung Solidarität für die Ukraine in Bremen gehört habe, war: „Wir denken schon heute an den Wiederaufbau der Ukraine.“ Diesen Ansatz verfolgen auch viele andere Stiftungen, Vereine und Stadtverwaltungen. Zahlreiche Städte in Europa und weltweit haben bereits Solidaritätsaktionen ins Leben gerufen oder planen Projekte, die den Wiederaufbau und die Modernisierung der Ukraine unterstützen.
Zukünftige Projekte könnten zudem den Austausch von Know-how in Bereichen wie nachhaltige Stadtentwicklung, erneuerbare Energien und moderne Technologie umfassen, um langfristige Verbesserungen zu bewirken. Der Fokus liegt nicht nur auf der physischen Erneuerung, sondern auch auf der Stärkung demokratischer Werte, der Förderung von Menschenrechten und wirtschaftlicher Stabilität.
Welche Rolle spielen Städtepartnerschaften für die junge Generation in Odessa?
Städtepartnerschaften spielen eine bedeutende Rolle für die junge Generation in Odessa. Ein aktuelles Beispiel: Ende September ist eine Schülergruppe aus Odessa an der Oberschule Lerchenstraße in Bremen-Nord zu Gast gewesen. Unter dem Motto „Zusammenhalten“ haben die ukrainischen Schüler durch Sport, kreative Projekte und kulturelle Erlebnisse neue Energie geschöpft.
Besonders berührend war die Aktion der Schüler der Oberschule, die Schultüten für Kinder des Bildungs- und Rehabilitationszentrums „Odessa NRC“ gepackt haben. Diese Tüten, gefüllt mit Geschenken und nützlichen Dingen wie Taschenlampen, werden von der Firma Buhlmann nach Odessa transportiert und von den Austauschschülern persönlich überreicht. Solche Aktionen schaffen starke Verbindungen.