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Ein schöner gemeinsamer Tag in Bad Cannstatt

Olaf Schulze · 12. September 2024
Wie schmeckt wohl das Wasser aus den  Brunnen?
Wie schmeckt wohl das Wasser aus den Brunnen?

Bericht über den Ausflug der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Heimatmuseums zum „Tag des Dankes“

In der Stadtkirche

In der Stadtkirche

Und wieder war ein Jahr vergangen und der „Tag des Dankes“ stand auf unserem Programm. Nachdem die alte, durch die Corona-Pandemie unterbrochene Tradition 2023 mit einem Tagesauflug nach Ulm und ins Donauschwäbische Zentralmuseum wiederaufgenommen worden war (siehe Bericht im Mitteilungsblatt Oktober 2023), sollte es dieses Jahr fahrttechnisch nicht so aufwändig sein. Das Ziel, schon vor Ulm festgelegt, war Stuttgart-Bad Cannstatt, jene bis 1905 selbständige einstige Kur-, Mineralwasserund Industriestadt, in der seit einiger Zeit alle zwei Jahre unsere Bundestreffen stattfinden, wie auch dieses Jahr am ersten Juni-Sonntag wieder. Zum diesjährigen „Tag des Dankes“ waren es 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aktive und langjährige ehrenamtliche Mitarbeiter, die sich am Mittwoch, den 10. Juli 2024 um 10.00 Uhr in der Halle des Bahnhofs Bad Cannstatt trafen.

Die Planung des Tages hatte in bewährter Weise wieder unser Museumskurator Olaf Schulze übernommen, der seit 2000 auch in Bad Cannstatt lebt und sich dort vielfältig ehrenamtlich und beruflich engagiert, und die „Sauerwasserstadt“ wie seine Westentasche kennt. Das Wetter war besser als befürchtet und der Regen hielt sich – mit seinem kurzen Einsatz gleich nach der Mittagspause – sehr in Grenzen, auch die Temperaturen waren dadurch erträglich.

Nach der Begrüßung durch unsere Bundesvorsitzende Brigitte Bornemann und den Geschäftsführer Dr. Hartmut Knopp führte der Vormittag die Gruppe vom Bahnhofsplatz durch die gleichnamige Straße mitten in die Cannstatter Altstadt, Stationen waren die Marktstraße, der Jakobsbrunnen, der wie die meisten anderen Brunnen Mineralwasser fließen lässt.

Im Stadtmuseum Bad Cannstatt: Matthias Busch führt gemeinsam mit Olaf Schulze (nicht im Bild) durch die Sonderausstellung  „Menschen in der Stadt“

Im Stadtmuseum Bad Cannstatt: Matthias Busch führt gemeinsam mit Olaf Schulze (nicht im Bild) durch die Sonderausstellung „Menschen in der Stadt“

Wir standen vor der Galerie Wiedmann, in der der Künstler Willy Wiedmann die größte Bibelillustration der Welt schuf, weiter ging es am „Zickle“, einer ehemaligen Weinstube mit Hochwassermarken aus dem 17. Jahrhundert, vorbei zum Marktplatz in die Stadtkirche, eine spätgotische Hallenkirche aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, vom Baumeister Aberlin Jörg errichtet. Wir warfen einen Blick ins Innere, wo Olaf Schulze unter anderem die Fenster von Wolf-Dieter Kohler aus den frühen 1960er Jahren erklärte. Dem „Thaddäus Troll-Platz“ bei der Wilhelmsbrücke mit dem „Entaklemmer“ der Cannstatter Künstlerin Elke Krämer aus Bronze folgte als letzte Station vor der Mittagseinkehr das seit 1988 in der „Klösterle-Scheuer“ untergebrachte Stadtmuseum Bad Cannstatt, bei dessen Umgestaltung 2016 Olaf Schulze maßgeblich mitgewirkt hatte. Durch die aktuelle Sonderausstellung „Menschen in der Stadt“ führten Olaf Schulze und Matthias Busch, die beide die Präsentation kuratiert hatten. Originale Corsagen der Firma Lindauer aus den 1930er Jahren sorgten für Erheiterung, aber auch für Bewunderung ob der Qualität der Näharbeiten dieser Cannstatter Textilfirma, die 1914 den ersten industriellen Büstenhalter auf den Markt gebracht hatte.

Die Mittagspause verbrachten wir in dem Lokal „Alte Schmiede“, das extra für uns geöffnet hatte. Einige Teilnehmer verabschiedeten sich nach dem Mittagessen, während andere dazustießen. Nächste Station, nun für kurze Zeit unter Regenschirmen, war der Erbsenbrunnen, dessen von Fritz von Grävenitz 1929 aus Travertin gestaltete Brunnenfigur kurz zuvor durch Vandalismus demoliert worden war. Im Anschluss ging die Gruppe in eine Sonderausstellung über 150 Jahre Evangelischer Verein Bad Cannstatt, die Olaf Schulze mitkuratiert hatte und im Erdgeschoss der ehemaligen Stadtmühle (heute Betreutes Wohnen mit dem Evangelischen Verein als sozialen Träger) zu besichtigen war. Hier tauchte kurz im originalen Gehrock von 1890 „Vikar Härle“, der Gründer des Evangelischen Vereins von Cannstatt, auf, um sein rekonstruiertes Zimmer zu erklären, aber auch eine Kostprobe auf dem Harmonium von 1907 aus Obertürkheimer Produktion zu geben. Der Weg führte die Gruppe dann u.a. an der ehemaligen Cannstatter Realschule und am Cannstatter Gymnasium vorbei schließlich zum „Buddenbrook-Haus“ an den Unteren Kursaalanlagen, wo eine Tante von Thomas und Heinrich Mann Jahre ihrer zweiten, unglücklichen Ehe verbracht hatte. Zuvor hatten wir an der Daimlerstraße kurz vor der ehemaligen Praxis von Vater und Sohn Dr. Johann und Dr. Hans Kurtz Halt gemacht, einer Arztfamilie, die aus Bessarabien stammte. Nächster Halt, ebenfalls im Unteren Kurpark, war das Denkmal für die Charta der Heimatvertriebenen aus dem Jahr 1986, geschaffen von der als junge Frau aus Pommern vertriebenen Bildhauerin Ingrid Seddig (1926-2008). Obwohl kein Vertreter der bessarabiendeutschen Landsmannschaft bei der Unterzeichnung der Charta am 5. August 1950 im Großen Kursaal dabei gewesen war, ist der Name unserer Volksgruppe auf dem Bronzesockel des Denkmals, der den kompletten Text der Charta enthält, verzeichnet. Die Künstlerin gestaltete eine Gruppe von Frauen, die – teilweise mit ihren kleinen Kindern auf dem Rücken – gegen den kalten Wind bei der Flucht im Januar 1945 anliefen.

Gemütlicher Ausklang des Tages im Lokal des Mineralbads Bad Cannstatt

Gemütlicher Ausklang des Tages im Lokal des Mineralbads Bad Cannstatt

Der „Lautenschlägerbrunnen“ aus dem Jahr 1934 und der 1933 umgestaltete Brunnenhof hinter dem Großen Kursaal mit seiner Wilhelms- (eher eisenhaltig) und Daimlerquelle (eher schwefelhaltig) bildeten mit den in Cannstatt obligatorischen Sauerwasserproben einen weiteren Punkt auf dem Tagesprogramm. Nach einer kurzen Besichtigung der Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte nahe des Kleinen Kursaals wurden die Teilnehmer von Matthias Busch noch mit frisch geschnittenen “Harbusenstücken“ und einem Speierlingsmost überrascht, bevor es zum Ausklang in das Lokal im Mineralbad Bad Cannstatt (1994 erbaut) ging. In gelöster Runde gab es dort noch gute Gespräche bei Kaffee, Tee, Kuchen, Eis und Eiskaffee, bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Tag des Dankes“ sich gegen 18 Uhr auf den teilweise langen Heimweg begaben. Alles in allem wieder ein gelungener Tag voller Eindrücke und guter Begegnungen und Gespräche untereinander.