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Ein Jahr Krieg – Friedensarbeit der Bessarabiendeutschen in der Ukraine

Brigitte Bornemann · 24. Februar 2023
Eine Kerze für den Frieden
Eine Kerze für den Frieden

Als heute vor einem Jahr, am 24.02.2022, der verbrecherische russische Angriff auf die Ukraine begann, mussten die Bessarabiendeutschen nicht lernen, wo die Ukraine ist, denn hier sind sie zuhause. Die bessarabische Region der Ukraine ist der südwestliche Zipfel am Schwarzen Meer, von Odessa bis zur Donaumündung. Im Norden grenzt die Republik Moldau an, beides zusammen war die historische Provinz Bessarabien. Hier lebten von 1814 bis 1940 deutsche Siedler, unsere Vorfahren, die 1945 durch Umsiedlung und Flucht nach Deutschland zurückkehrten und sich zum großen Teil im Stuttgarter Umland niederließen, aber auch in Norddeutschland stark vertreten sind.

Zu unseren Herkunftsdörfern in Bessarabien pflegen wir einen engen Kontakt, seitdem dies 1989 politisch möglich wurde. Wir sind dort durch Bildungsreisen, Jugendaustausch und humanitäre Hilfe präsent und haben vertrauenswürdige Personen gefunden, u.a. in Ortsvorständen, Sozialstationen, Kirchengemeinden, Kulturvereinen, mit denen wir in der jetzigen Kriegssituation erfolgreich zusammenarbeiten können.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine zieht auch die Dörfer unserer Vorfahren in Mitleidenschaft. Die Region war bisher nicht im Fokus von Kampfhandlungen, doch die Zerstörung der zivilen Infrastruktur, speziell der Energieversorgung, schlägt bis hierher durch. Bessarabien ist ein Rückzugsort für Binnenflüchtlinge, manche Dörfer haben jetzt die doppelte Einwohnerzahl zu versorgen. Dies bei Teuerung, Lieferengpässen und einer zusammengebrochenen Wirtschaft. Was ein Kriegswinter bedeutet, wissen die Älteren unter uns noch genau.

Die Hilfsbereitschaft der bessarabiendeutschen Nachfahren ist enorm. Gleich bei Kriegsbeginn hat sich die Hilfsorganisation „Ermstal-Hilft“ gegründet, um über unseren Verein hinaus Nothilfe für Bessarabien zu organisieren. Im ersten Kriegsjahr wurden insgesamt 460.000 EUR an Geldspenden und ungezählte Sachspenden gesammelt und insgesamt 64 Tonnen Hilfsgüter in 42 Transporten nach Bessarabien gebracht. Neben Grundnahrungsmitteln, Hygieneartikeln und warmer Kleidung bringen wir Medikamente, Katastrophenschutzausstattung und im jetzigen Winter bereits 51 dringend benötigte Notstromgeneratoren, um die Grundversorgung mit Energie und Wasser aufrecht zu erhalten. Die ersten 2 Photovoltaik Anlagen wurden ausgeliefert, die jetzt brennstoffunabhängig Strom erzeugen und damit Wärmestuben für sozial Schwache versorgen.

Unsere ukrainischen Partner entwickeln ein unglaubliches bürgerschaftliches Engagement im Umgang mit den überbrachten Hilfsgütern. Sofort wurden Verteilerzentren für die gesamte Region errichtet, wir erhalten Rückmeldung, was wo fehlt, und können zielgenau helfen.

Die freiwilligen Fahrer von Ermstal-Hilft bringen die Hilfsgüter über Ungarn und Rumänien   direkt in unsere Herkunftsdörfer im ukrainischen Bessarabien.

Die freiwilligen Fahrer von Ermstal-Hilft bringen die Hilfsgüter über Ungarn und Rumänien direkt in unsere Herkunftsdörfer im ukrainischen Bessarabien.

Die Ukrainer sind sehr dankbar, so nachhaltig in ihrem Abwehrkampf gestärkt zu werden. In der nächsten Woche wird der Bürgermeister des bessarabischen Städtchens Arzis in einer Videoschalte mit schwäbischen Schülern ein Interview geben und erklären, wie er sich Patenschaften 
zwischen ukrainischen und deutschen Schulen vorstellt. Mitten im Krieg beginnt schon die Friedensarbeit.

Auch die kulturelle Zusammenarbeit mit Bessarabien pflegen wir weiter. Im Sommer 2022 hatten wir wieder einen Austausch von Schülern und Studenten von Bad Urach mit den Universitäten Ismail und Odessa. Unser Bauernmuseum in Friedenstal/Mirnopolije wird weiter betrieben.  Etliche Ortsmuseen arbeiten mit uns zusammen und stellen auch die Kultur der deutschen Ortsgründer dar. Das zentrale kulturgeschichtliche Museum in Sarata will etwa die Hälfte seiner Ausstellungsfläche für die deutsche Vergangenheit bereitstellen, dies wird eines der größeren Projekte nach Kriegsende.

Die konsularischen Vertretungen der Ukraine und der Republik Moldau haben uns bestätigt, dass unsere Hilfe vor allem deshalb wichtig ist, weil sie die kleinen Dörfer erreicht, die an der Aufnahme von Binnenflüchtlingen einen bedeutenden Anteil haben. Die staatlichen und internationalen Hilfen erreichen hingegen eher die Metropolen. Die völkerverbindende Kulturarbeit der Bessarabiendeutschen in der Ukraine hat respektvolle Beziehungen und persönliche Freundschaften hervorgebracht, die sich in der Not des Krieges bewährt haben. Wir wünschen uns und möchten mithelfen, dass die Wiederaufbauprogramme nach dem Krieg auch in ländlichen Regionen greifen, und dass auch Bildung und Kulturaustausch dabei nicht zu kurz kommen.

Spenden werden weiterhin dringend benötigt, das eingerichtete Spendenkonto für die Unterstützung von Flüchtlingen ist weiterhin gültig.

Spendenkonto:
Bessarabiendeutscher Verein e.V.
IBAN: DE33 5206 0410 0000 6091 53
BIC: GENODEF1EK1
Evangelische Bank eG
Kennwort: Flüchtlingshilfe