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Beresina Treffen am 24.04.22 in Lützow

Hildegard Zarffs · 14. Juni 2022
Eröffnung
Eröffnung

Nach vielen Aufregungen für den Heimatausschuss Beresina bei der Vorbereitung des Treffens war endlich der Tag erreicht. Dieses Treffen wird den Vorbereitern in Erinnerung bleiben. Die Corona-Pandemie und ab Februar der Ukraine-Krieg hatten alles erschwert.

Vortrag von Brigitte Bornemann

Vortrag von Brigitte Bornemann

Die bangen Fragen wie: „wird noch einer kommen, nach Corona-Regeln“, nach Ortswechsel: „wird der Saal am neuen Ort ausreichen“, wurden gegenstandslos. Die Ausstellung war aufgestellt, die Liedblätter und Anwesenheitslisten verteilt und die Ersten kamen, alle mit Impfnachweisen. Für das Verständnis aller ein herzliches Dankeschön. Der Saal wurde immer voller – aber alle kennen das Sprichwort: „Platz ist in der engsten Hütte“.

Hildegard Zarffs begrüßte die Anwesenden. Besonders herzlich begrüßt wurde Frau Brigitte Bornemann, Bundesvorsitzende des Bessarabiendeutschen Vereins. Die Delegierten Klaus Nitschke, Lilli Moses und Elvira Schmidt vom Arbeitskreis Mecklenburg-Vorpommern konnten wir herzlich begrüßen. Wir; das sind Rudi und Hannelore Becker, Helga, geb. Becker, Burkhard Wetzling sowie Hildegard geb. Pahl und Fritz Zarffs. Brigitte Bornemann überbrachte Grüße und wünschte der Veranstaltung einen erfolgreichen Verlauf.

Andacht von Holger Krüger

Andacht von Holger Krüger

Eine kurze, sehr zugewandte Andacht zum Heimatgedanken von Holger Krüger öffnete die Herzen aller. Zum Abschluss wurde der Verstorbenen der zwei letzten Jahre mit einer Gedenkminute gedacht. Im Gedenken an alle nannte er Dr. h. c. Edwin Kelm und Alwin Kalisch, die unsere Veranstaltungen in früheren Jahren besucht hatten. Holger Krüger empfahl sich damit für weitere Andachten, er hatte die „Feuerprobe“ gut bestanden.

Der Inhalt „Umsiedlung aus Beresina, Ansiedlung in Westpreussen, Flucht und Ankunft in Deutschland. Die schweren Jahre 1940 bis 1945“ war bereits 2019 von uns bestimmt worden. Die Aktualität im Jahr 2022 konnten wir uns damals nicht vorstellen. Dieses Thema war im Jetzt für uns nicht mehr nur Geschichte.

Familien Becker/Wertzling

Familien Becker/Wertzling

Die Erinnerungen der Mutter Klara Becker geb. Dobler aufgeschrieben von Helga Wetzling, vorgetragen von den Ehepaaren Wetzling und Becker zeigten, wie in der Familie darüber geredet und organisiert wurde. Hier einige wenige Ausschnitte: Der Aushang war gelesen worden: „Deutschstämmige konnten nach Deutschland umsiedeln.“ „Betroffene Gesichter: Was sollt mir? Umsiedla? Alles dolassa und mir sollt weggeh? Was wird wohl jetzt komma. Was wird des alles wera. Was wird aus uns. Mir müsset uns erkundiga was zu to isch.“ Die Großeltern und Eltern entschieden sich schweren Herzens für die Umsiedlung. “Mir lasset uns umsiedla. Unter dem Russ wellt mir net bleiba.“ Die Großmütter sagten zu den Kindern Gottlieb und Klara: „Ihr messt noch heirate, damit ihr zemma bleiba kennt und als Ehepaar ausreisa kennt.“ „Sehr schwer wurde der Abschied und der letzte Gruß an den Gräbern der Vorfahren. Dann war es soweit. Es gab kein zurück mehr.“

Die Fahrten mit Bus, Zug und Schiff, Familien, die getrennt wurden und sich wiederfinden mussten, das Zurechtfinden in einer fremden Umgebung in Lagern mit bis zu 100 Personen ohne Privatsphäre, die Untersuchungen zu arischen Merkmalen führte zu dem Ausspruch: „So henn mir uns die Umsiedlung nach Deutschland net vorgstellt. Unsere Schaberana kann des gar net versteha. Die Leut sin schon ganz verzweifelt.“ Die Hoffnung auf ein Ende der Umsiedlung wurde immer stärker, aber die Ansiedlung in Westpreussen begann wieder mit Lagerleben bei Litzmannstadt. Dann Ansiedlung in Dagefeld Kreis Rippin. „Die Ankunft auf der Hofstelle war bedrückend. Das soll jetzt unsere neue Heimat werra? Des isch net gut, do sollt mir jetzt einziga un bleiba? Do steht doch noch alles von die Leut, die do vorher waret. Wo sin die Leut na komma? Aber mir müsset do bleiba was anderes krieget mir net. Unsere Mutter hat immer gesagt, es war unrecht, was man den Polen angetan hat.“ Dann Mitte Januar 1945 „Jetzt messt mir schon widder alles verlassa, wenn kommet mir blos zur Ruhe. Was mach ich blos mit meine kleine Kinder? Un de Gottlieb isch net do. Mol gut, dass ich den Kaschta han und einiges einpacka kann. Vielleicht helft mir jo der Knecht bissle?“ Die Familien flüchteten nach Mecklenburg, wo sie mit Bodenreformland einen Neuanfang begannen.

Der Power-Point-Vortrag von Uwe Lange aus Abstatt-Happenbach folgte mit dem Vortrag „Heimat, Umsiedlung, Flucht, Neuanfang – Die Geschichte von Erna Lange, geb. Nill 1930 – 1945“. Er stellte mit umfangreichem Bildmaterial das Leben seiner Mutter vor.

Beide Vorträge zeigen uns, dass diese Zeit für alle bessarabischen Familien, trotz Unterschiede im Einzelfall, viele Gemeinsamkeiten haben. Sie sind für uns „Nachgeborene“ wichtig, um vieles besser zu verstehen.

Der Film „Die Geschichte der Bessarabiendeutschen“ von Professor Dr. Erwin Ziebart Teil 2 bis zur Umsiedlung, gezeigt von Fritz Zarffs, fasste nach der Mittagspause die Geschichte von 1940 bis 1945 nochmals zusammen. So wurden die Familienvorträge vom Vormittag untermauert mit dem Film über diese Zeit. Es war schmerzlich für uns mit zu erleben, wie die Umsiedlung perfekt organisiert, das Lagerleben – ohne Distanz zu anderen – die ersten Träume zerplatzen ließen. Alles ungewohnt, völlig anders – Ausgrenzung – dann Neubeginn in Polen, mit den Gedanken an das Unrecht, das anderen geschehen war, und doch Annahme, da es keinen Ausweg für das Überleben der eigenen Familie gab. Wieder wurde etwas geschaffen, was im Januar 1945 zerfiel, wieder Neuanfang nach dem erwarteten „Untergang“, die Phantasie der jungen Menschen war abhanden gekommen. Trotz allem begann nach Jahren des Darbens und Aufbauens ein neues Leben. Der Film enthält den Auftrag an die Nachfolgegenerationen, diese Zeit nicht zu vergessen und mit zu helfen, dass so etwas nicht mehr geschieht.

Mit geschlossenen Augen und dem Gedanken: „Friede für die Ukraine“ versuchten wir gemeinsam für eine Minute, den Krieg in der Ukraine zu beeinflussen. 

Das Mecklenburger Heimatlied im Anschluss gesungen, brachte uns wieder in unser Land zurück. Frau Brigitte Bornemann machte alle Zuhörer mit den vielfältigen Aktivitäten des Bessarabiendeutschen Vereins vertraut und zeigte darüber hinaus Möglichkeiten für die zukünftige Unterstützung unserer Heimatgemeinden in der Ukraine.

Ein herzliches Dankeschön an unser Trio Rudi Becker, Monika Kriebisch und Hannelore Groth, die uns den ganzen Tag mit ihren Instrumenten beim Singen unterstützt haben.

Wir bedankten uns bei dem Inhaber Herr Burmeister und dem Team der Gaststätte „Scharfe Kurve“, die uns vorbildlich betreut haben, obwohl für sie alles kurzfristig und auch neu war. Der Kuchen, gebacken von vier Familien der Familie Becker, schmeckte allen vorzüglich. Für den Büchertisch von Lilli Moses und ihrem Mann einen herzlichen Dank. Der Tag, anstrengend, neigte sich dem Ende zu. Wir gaben uns alle das Versprechen auf ein Wiedersehen, obwohl es etwas eng war, da statt der zuerst gemeldeten 70 Personen 83 anwesend waren.