Ella Fano 95 Jahre
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privat
Im Sommer 2019, ich war erst seit kurzem im Amt, kam Ella Fano mit ihrer Tochter Hiltrud ins Heimathaus in Stuttgart zu einer Besprechung mit unserem damaligen Bundesgeschäftsführer, dem leider früh verstorbenen Günther Vossler. Ich hatte Gelegenheit, sie kurz zu begrüßen, und war beeindruckt von dieser distinguierten alten Dame. Dies blieb unser einziges Zusammentreffen, doch ich hörte später noch öfter ihren Namen. Nach und nach erfuhr ich mehr über ihr Wirken für die Bessarabiendeutschen.
Ella Fano stammt aus Sarata, Bessarabien, aus einer alteingesessenen Sarataer Familie. Sie wurde geboren am 14. März 1929 als erstes von drei Kindern des Christian Geigle und seiner Frau Berta geb. Winger. Ihr Vater war Landwirt und betrieb einen Getreide- und Kartoffelgroßhandel. Die Mutter bewirtete an Markttagen die Marktbesucher. So wuchs Ella in einer geschäftigen, anregenden Umgebung auf. Sie wurde eingeschult in der Übungsschule der Wernerschule, einer sehr guten Schule, wie sie später urteilen konnte, für die ihr Vater gerne das nicht unerhebliche Schulgeld aufbrachte.
Die behütete Kindheit endete abrupt mit der Umsiedlung im Oktober 1940. Die Familie überstand unbeschadet die Herausforderungen des Lagerlebens und der Ansiedlung im Warthegau. Ella besuchte das Gymnasium in Jarotschin. Doch die Flucht im Januar 1945 war ein Schock, die Mutter allein verantwortlich für Pferd und Wagen und die Großfamilie, darunter eine junge Mutter mit drei kleinen Kindern und zwei alte Leute. Ellas geliebte Großmutter starb auf dem Wagen. Der Vater war drei Tage vor der Flucht noch zum Volkssturm eingezogen worden, er kam nicht aus dem Krieg zurück.
Nach einem Jahr in Sachsen fand die Großfamilie 1946 eine neue Heimat in Württemberg in Kirchheim/Teck. Ella absolvierte eine Lehre als Kauffrau, die sie mit Auszeichnung abschloss. Bei einer bessarabischen Feier zu Silvester 1947 lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, den zwei Jahre älteren Guido Fano aus Eigengut Schimke. Er hatte die Wernerschule in Sarata besucht, doch waren die beiden sich als Kinder nie begegnet. Im September 1949 heirateten sie. Er war noch in der Ausbildung, sie verdiente ein kleines Gehalt als Verkäuferin. Bald kam das erste Kind. Gemeinsam meisterten sie die Entbehrungen der Nachkriegszeit. Als Guido im Jahr 1951 seine erste Lehrerstelle antrat, ging es langsam aufwärts. Sie begannen zu bauen und bezogen 1957 ihr Reihenhaus in Kirchheim. Ella Fano ging auf im Familienleben, kümmerte sich um die drei Kinder, dazu um den Schwiegervater und später die Mutter, und stand ihrem Ehemann zur Seite.
Guido Fano durchlief eine ansehnliche Karriere als Lehrer, zuletzt Schulleiter der Freihof-Grundschule in Kirchheim. Neben seinem Beruf ging er einem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement nach, vertiefte sich in die Numismatik, übernahm Verantwortung in der Gemeinde Kirchheim und in der Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen.
Seit 1961 war er Delegierter, 1985–1988, noch voll berufstätig, diente er als Bunde geschäftsführer. 1988 ging er in Pension und übernahm für 8 Jahre den Landesvorsitz Baden-Württemberg. Seine Frau Ella unterstützte ihn tatkräftig. Im Jahr 1993 erhielt Guido Fano das Bundesverdienstkreuz am Bande, dabei sagte der Oberbürgermeister, er möchte am liebsten für Ella Fano ein Stück davon abbrechen.
Ella Fano hat nicht nur ihrem Mann zugearbeitet, Veranstaltungen vorbereitet und Berichte geschrieben, sie hat auch eigene Akzente gesetzt. In den Sitzungen sagte sie deutlich ihre Meinung und hatte Einfluss im Vorstand. In guter Erinnerung sind die 170- und 175-Jahr-Feiern der Gründung Saratas, die sie hauptverantwortlich in Kirchheim organisierte; es kamen über 700 Gäste und viel Prominenz. Zum Bundestreffen 1994 gestaltete sie die Festschrift, darin ihr bemerkenswerter Artikel „40 Jahre Patenschaft der Stadt Stuttgart“. Ein Denkmal gesetzt hat sie sich mit ihrem Engagement für ihren Heimatort Sarata. Seit Beginn der 1990er Jahre organisierte sie Hilfstransporte mit Medikamenten, Verbandsmaterial, Krankenhausbetten, einen voll ausgestatteten Krankenwagen u.v.m. Gegenbesuche der Ukrainer in Kirchheim schlossen sich an. Bis heute ist das Andenken an Ella Fano in Sarata lebendig und sogar im dortigen kulturhistorischen Museum dokumentiert. Ella Fano hat den Grundstein gelegt für die überdauernden völkerverbindenden Beziehungen der Bessarabiendeutschen zu Sarata.
Besonders zu erwähnen ist auch die Autorentätigkeit von Ella Fano. In zahlreichen Artikeln des Heimatkalenders sowie in ihren 1997 herausgegebenen Lebenserinnerungen schreibt sie über das Leben in Bessarabien, die Stationen von Umsiedlung, Ansiedlung und Flucht sowie das Ankommen in Württemberg. Die sehr konkreten, detailreichen Schilderungen sind als sozialhistorische Quelle wertvoll. Einige Kostproben sind im Mitteilungsblatt 03-2022 und 06-2022 zu lesen.
Das landsmannschaftliche Engagement des Ehepaars Fano ging mit dem Ende der Amtszeit langsam zurück. Jetzt traten andere Interessen in den Vordergrund, das Bürgerbüro in Kirchheim, Reisen in alle Welt, Freunde und Familie. Ella Fano erhielt viel Zuspruch als Editorin der Zeitschrift „Zwischenzeit“, einer Beilage der Kirchheimer Zeitung „Der Teckbote“. Hochgeehrt feierte das Ehepaar Fano im Jahr 2009 seine Diamantene Hochzeit. Doch bald darauf im Jahr 2011 starb Guido Fano. Ella Fano überwand den sehr schmerzlichen Verlust mit Hilfe ihrer großen Familie, deren Mittelpunkt sie nach wie vor ist. Auch ihre Nachkommenschaft ist beachtlich: auf drei Kinder folgten vier Enkel und vier Urenkel.
Der Bessarabiendeutsche Verein dankt Ella Fano für ihren wertvollen Beitrag zu unserer Aufgabe, die Kultur und Geschichte der Deutschen in Bessarabien zu bewahren. Zu ihrem hohen Geburtstag wünschen wir ihr alles Gute und noch viele frohe, gesegnete Jahre.
Brigitte Bornemann, Bundesvorsitzende,
mit Unterstützung von Hiltrud Elbert-Fano, Ingo R. Isert und Siegmund Ziebart