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Ein schöner gemeinsamer Tag in Ulm

Olaf Schulze · 15. September 2023
Gruppenfoto (fast vollständig) vor dem Haupteingang des DZM
Gruppenfoto (fast vollständig) vor dem Haupteingang des DZM

Dass sich der Bessarabiendeutsche Verein einmal im Jahr bei den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern bedankt, hat Tradition. Diese wurde jedoch von der Corona-Pandemie ab 2020 für drei Jahre unterbrochen. 2023 sollte der „Tag des Dankes“ nicht ins Wasser fallen. Rasch war das Ziel gefunden, Ulm sollte es sein und das im letzten Jahr in Teilen neugestaltete „Donauschwäbische Zentralmuseum“ (DZM). 

26 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aktive und langjährige ehemalige Mitarbeiter, trafen sich am Mittwoch, den 9. August, kurz vor 11 Uhr vor dem Haupteingang des Ulmer Hauptbahnhofs. Da hatten manche schon einen langen Weg hinter sich, ob aus Nagold, Pforzheim, Rutesheim, Bietigheim-Bissingen, Ludwigsburg, Stuttgart, Plochingen, Göppingen, Herrenberg oder München waren sie nach Ulm gekommen mit einer Sternfahrt und Baden-Württemberg-Tickets der Deutschen Bahn. Die Planung des Tages hatte der Museumskurator Olaf Schulze  übernommen, bei seiner Vortour (mit Test des Mittagslokals) war er eine Woche zuvor, trotz Schirm, noch gründlich nass geworden. Doch dieses Mal hielt das Wetter.

Steiler Blick zum höchsten Kirchturm der  Welt, unten das Hauptportal des Ulmer  Münsters

Steiler Blick zum höchsten Kirchturm der Welt, unten das Hauptportal des Ulmer Münsters

Der Weg der Gruppe führte vom Bahnhof vorbei an einem modernen Denkmal 
für Albert Einstein, der 1879 in Ulm das Licht der Welt erblickt hatte, zum Münsterplatz, auf dem gerade der Ulmer Wochenmarkt stattfand. Hier schloss sich 
eine kurze kunsthistorische Beschreibung des Münsters an, dessen Baubeginn 
im Jahr 1376 war, wobei Olaf Schulze das Bildfeld über dem Hauptportal mit der Schöpfungsgeschichte besonders hervorhob. Auch das Innere des Münsters  beeindruckte durch seine Weitläufigkeit und Höhe, historische und moderne Kirchenfenster und das weitbekannte spätgotische Chorgestühl. Nächste Station 
war eine ehemalige private Friedhofskapelle, die Valentinskapelle von 1458, die 
heute von der russisch-orthodoxen Glaubensgemeinde für Gottesdienste genutzt 
wird. Dann ging es zum Ulmer Rathaus, dessen Fassadenmalerei, die teilweise aus dem 16. Jahrhundert stammt, zu den Höhepunkten des Tages gehörte. Auf einer 
Gebäudeseite, die Malerei stammte hier aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, war 
eine „Ulmer Schachtel“ zu erkennen. Genauso so ein Schiff, mit dem die meisten „Donauschwaben“ von hier im 18. und frühen 19. Jahrhundert in ihre neue Heimat 
aufbrachen, während von den Bessarabiendeutschen die meisten den Landweg 
wählten. An der pyramidenförmigen, modernen Stadtbibliothek vorbei ging es bis zum Schwörhaus aus dem frühen 17. Jahrhundert, vor dem der alljährliche „Ulmer Schwörtag“ bis 1802 abgehalten wurde, als die bis dahin Freie Reichsstadt zunächst Bayern, 1810 schließlich Württemberg zugesprochen wurde. Heute ist 
der „Schwörtag“ eine Art Volksfest mit Ansprache des Oberbürgermeisters am Schwörhaus und dem anschließenden „Fischerstechen“ und „Nabade“ auf der Donau. 

Hauptfassade des Ulmer Rathauses mit Uhr,  die Malereien zeigen Tugenden wie „Gerechtigkeit“, „Geduld“, „Liebe“ und „Hoffnung“  anhand von biblischen Geschichten

Hauptfassade des Ulmer Rathauses mit Uhr, die Malereien zeigen Tugenden wie „Gerechtigkeit“, „Geduld“, „Liebe“ und „Hoffnung“ anhand von biblischen Geschichten

Bei einem Italienischen Restaurant am Rande des historischen Fischer- und Gerberviertels direkt an einem Arm der Großen Blau kehrten wir mittags ein, um gestärkt den weiteren Weg zum DZM anzutreten. Die Fischergasse entlang kamen wir beim „Zunfthaus der Schiff­leute“ vorbei und machten vor dem „Schönen Haus“ kurze Rast, um einen Blick auf die Fassadenmalerei zu werfen, welche die Stadt Belgrad zeigt und im 18. Jahrhundert entstand. Durch ein kleines Tor in der Stadtmauer waren es nur noch wenige Schritte zur Donau und dem „Donauschwäbischen Ufer“, wo sich das „Ahnen-Auswanderungsdenkmal der Donauschwaben“ befindet. Über Jahrzehnte wurden hier zumeist bronzene Gedenktafeln für unterschiedliche Orte und Regionen der Donauschwaben angebracht. Dann ging es an der Donau entlang und über eine kleine Brücke über die Hauptmündung der Blau in die Donau bis zum „Oberen Donauturm“ (Werk  XXVIII) der ehemaligen Bundesfestung Ulm aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Und dann waren es nur noch wenige Schritte bis zum „Donauschwäbischen Zentralmuseum“, das in einem weiteren Werk (Werk I), der „Oberen Donaubastion“ in der Schillerstraße (Nr. 1) seit dem Jahr 2000 untergebracht ist.

Im Fischerviertel beim „Schönen Haus“ und „Zunfthaus der Schiffer“

Im Fischerviertel beim „Schönen Haus“ und „Zunfthaus der Schiffer“

Im DZM war um 14.00 Uhr eine Führung durch die 2022 in Teilen neugestaltete Dauerausstellung gebucht. Museumsmitarbeiterin Brigitte Brandt zeigte der interessierten Gruppe nicht nur die einzelnen Stationen der Geschichte der Donauschwaben, sondern vermittelte auch konzeptionelle Ideen der Ausstellungsgestalter. Interessante Parallelen, aber auch Unterschiede zur Geschichte der Bessarabiendeutschen taten sich auf. Auch die Donauschwaben wurden als bäuerliche Kolonisten gerufen, angeworben mit der Aussicht auf ein besseres Leben im „Ungarland“. Ihre Geschichte begann gut 100 Jahre früher, Ende des 17. Jahrhunderts, ihre wirtschaftliche Entwicklung und soziale Differenzierung war weiter fortgeschritten als in Bessarabien. Ein interessantes Objekt ist die prächtige Bauerntracht, die mit ihrem Schmuck die Herkunft ihrer Trägerin nach Dorf und Familie zu erkennen gab. Ganz anders die uniformierten Trachten späterer Zeit, zu denen auch die der Bessarabiendeutschen zählt.

Bei der „Ulmer Schachtel“ vor dem DZM

Bei der „Ulmer Schachtel“ vor dem DZM

Nach 1918 aufgeteilt auf die Staaten Ungarn, Rumänien und Jugoslawien, waren 
die Donauschwaben besonders empfänglich für die NS-Ideologie und unterstützten im Krieg die deutsche Besatzung. Im Herbst 1940 versorgten Donauschwaben die Bessarabiendeutschen im Durchgangslager Semlin bei Belgrad. Bei Kriegsende konnten nur wenige fliehen, die zurückgebliebenen wurden von den neuen Machthabern enteignet, viele wurden zur Zwangsarbeit verschleppt. 

Nach der Führung war Zeit zur individuellen Vertiefung. Der neue Direktor und Geschäftsführer des DZM, Herr Tamás Szalay, empfing Brigitte Bornemann, Hartmut Knopp, Ingo Rüdiger Isert und Olaf Schulze zu einem ersten Kennenlernen. Die mögliche Zusammenarbeit unserer beider Museen wurde besprochen, für die es auch in den vergangenen Jahren immer wieder Gelegenheit gab, nicht zu vergessen die Beherbergung des Dobrudscha-Sammlung im DZM in den Jahren 2008 bis 2016 (siehe MB 05-2017). Zum Abschluss stellten wir uns noch zu einem Gruppenbild vor dem Museumseingang zusammen und betrachteten den Nachbau einer „Ulmer Schachtel“.

Donauschwäbische Frauentracht im DZM

Donauschwäbische Frauentracht im DZM

Da das Museum, trotz seiner Größe in einem ehemaligen Kasernenbau über keinen Cafébereich verfügt, war ein türkisches Lokal in der unmittelbaren Nachbarschaft der letzte Programmpunkt des Tages. Hier wurden wir freundlich empfangen, bekamen neben Tee und Kaffee selbstgemachtes Halva aus Walnüssen mit Vanilleeis, was für die Teilnehmer der Gruppe eine Überraschung war, und sprachen noch eine starke Stunde angeregt miteinander, bevor uns unser letzter Weg wieder zum Ulmer Bahnhof führte, wo wir kurz nach 18 Uhr die für manche noch weite Heimreise antraten. Manche waren an diesem Tag 16 Stunden unterwegs und haben dies auf sich genommen, um beim „Tag des Dankes“ dabei zu sein, so wie sie auch unter dem Jahr längere Anreisen zu ihrer ehrenamtlichen Arbeit ins Heimathaus auf sich nehmen. 

Alles in allem war es ein schöner Tag voller Eindrücke und guter Begegnungen untereinander.

Angeregte Gespräche in einem türkischen Lokal zum Ausklang  des „Tag des Dankes“

Angeregte Gespräche in einem türkischen Lokal zum Ausklang des „Tag des Dankes“

Walnusshalva mit Vanilleeis

Walnusshalva mit Vanilleeis