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Arnulf Baumann 90 Jahre

Brigitte Bornemann , Erika Wiener · 02. April 2022
Arnulf Baumann
Arnulf Baumann

Am 2. April 2022 wird Arnulf Baumann 90 Jahre alt. Seit 1977 – seit 45 Jahren – bestimmt und begleitet er die Geschicke des Bessarabiendeutschen Vereins. Wer ist Arnulf Baumann?

Geboren wurde er als der jüngere von zwei Söhnen des Pastors, später Oberpastors Immanuel Baumann und seiner Frau Else geb. Schulz in Klöstitz/Bessarabien. Die Familie gehörte zu der in Bessarabien sehr dünnen Schicht des Bildungsbürgertums.

Seine Kindheit verlebte Arnulf Baumann unbeschwert bis zur Umsiedlung im Jahr 1940. Die Familie wurde 1941 in Konin/Westpreußen angesiedelt. Dort übernahm der Vater die Pfarrstelle und das Amt des Superintendenten – in einer Zeit, als Kirche und Glaube aus dem nationalsozialistischen Mustergau Wartheland verbannt werden sollten. In seiner Autobiographie „Jahre im Zwiespalt“ (2020) beschreibt Arnulf Baumann eindrucksvoll, wie in dieser konfliktreichen Zeit der Keim für seinen ethischen Kompass gelegt wurde. Als Pastorensohn selbst Anfeindungen ausgesetzt, wird ihm die staatlich verordnete Herren- und Heldenmoral bald suspekt. Schon dem 12-Jährigen wird der Kontrast zwischen dem aufgeregten Ton öffentlicher Propaganda und der ruhigen Gesprächsatmosphäre seines christlichen Elternhauses bewusst. Wenn Arnulf Baumann später für sein konfliktlösendes diplomatisches Talent gewürdigt wird, verdankt er es wohl diesem Kindheitsvermächtnis: dem Vertrauen auf die Verständigung im Gespräch, im gegenseitigen Respekt, christlichen Werten verpflichtet.

1945 kam die Familie nach der Flucht in Hemmigen/Württemberg an. Immanuel Baumann als zuletzt in Bessarabien amtierender Oberpastor wurde 1946 von der EKD berufen, das Hilfskomitee der Evangelisch-Lutherischen Kirche aus Bessarabien zu gründen. Wenig später wurde er Flüchtlingspastor in der Landeskirche Hannover. Die Familie zog nach Alfeld, wo Arnulf Baumann seine Schulzeit mit der Reifeprüfung beendete.

Als Theologiestudent ging Arnulf Baumann nach Erlangen, Tübingen, Heidelberg und Göttingen. 1956 erhielt er ein Stipendium für die USA, wo er sein Studium mit einer Dissertation und dem Titel D.min. (Doktor des Pfarramts) beendete.

Nur kurz war Arnulf Baumann als Gemeindepastor tätig. Es folgten einige Jahre als wissenschaftlicher Assistent an der theologischen Fakultät in Münster und als persönlicher Referent des Landesbischofs Lohse in Hannover. 1976 wurde er als Direktor des Diakonischen Werks nach Wolfsburg berufen, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1997 blieb.

Neben seiner verantwortungsvollen hauptberuflichen Tätigkeit war Arnulf Baumann vielseitig ehrenamtlich tätig. Sein Engagement galt zunächst der Versöhnung mit den Juden. Er wurde in die Studienkommission „Kirche und Judentum“ der EKD berufen, die eine Neubestimmung des kirchlichen Verhältnisses zu den Juden leistete. Von 1973 bis 2000 war er Schriftleiter der Zeitschrift „Friede über Israel“.

In Wolfsburg nahm er sich der russlanddeutschen Spätaussiedler an. Er übernahm den Vorsitz des Ostkirchenausschusses (Zusammenschluss aller Hilfskomitees) der Landeskirche Hannover und die Geschäftsführung des Ostkirchenausschusses der EKD und sorgte dafür, dass die Vertriebenen in der Evangelischen Kirche eine gewichtige Stimme erhielten.

Im Januar 1977 wurde Arnulf Baumann als Nachfolger von Albert Kern zum Bundesvorsitzenden des Hilfskomitees der Evangelisch-Lutherischen Kirche aus Bessarabien gewählt. Er behielt dieses Amt bis zur Fusionierung des Hilfskomitees mit der Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen im Jahr 2005 und wurde 2006 stellvertretender Vorsitzender des neu gegründeten Bessarabiendeutschen Vereins, dessen Ehrenvorsitzender er heute noch ist.

Arnulf Baumann gehört zu den herausragenden Führungspersönlichkeiten, die den Bessarabiendeutschen Verein mit Weitsicht, Mut und Sachverstand in seine heutige zukunftsfähige Form brachten, einmalig unter den Vertriebenenverbänden. Die „harten Fakten“ sind oft gewürdigt worden: der Zusammenschluss der drei Vorgängervereine Hilfskomitee, Landsmannschaft und Heimatmuseum zu einer schlagkräftigen bundesweiten Organisation; der Ausbau des Alexanderstifts zu einem mittelständischen Unternehmen, das bei der Ablösung im Jahr 2005 ein ansehnliches Stiftungsvermögen zur finanziellen Absicherung des Vereins hinterließ. Diese Prozesse hat Arnulf Baumann mit initiiert und angeleitet, und hat mit seinem ausgleichenden Temperament manchen Stolperstein auf zwischenmenschlicher Ebene ausgeräumt.

Sein besonderes Verdienst aber ist der offene Geist, der den Bessarabiendeutschen Verein auszeichnet. Ihm ist es zu verdanken, dass seine Landsleute die nostalgische Verklärung der alten Heimat ablegten und sich schrittweise einer unerschrockenen Vergangenheitsbewältigung öffneten.

Die Herbsttagung in Bad Sachsa ist seit 1996 der Ort, an dem auch „heikle“, beschwiegene, traumatisch besetzte Themen in heilsamer Gesprächsatmosphäre bearbeitet werden können. Themen der letzten Jahre waren u.a. der Nationalsozialismus, Umsiedlung und Ansiedlung in Polen, Kriegstrauma, Integration in BRD und DDR, Toleranz, Armut. Arnulf Baumann hatte stets das Gespür für den richtigen nächsten Schritt.

Die Historische Kommission wurde 2009 ins Leben gerufen und bis 2019 von Arnulf Baumann geleitet. Nach heftigen Auseinandersetzungen in der Anfangszeit gelang es ihm, ein Arbeitsprogramm zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Bessarabien aufzulegen. Ergebnisse seiner Amtszeit sind die Pressedokumentation „NS-Einfluss auf die Deutschen in Bessarabien“ von Stefanie Wolter und die Einrichtung einer Gedenkstätte „Verschwundene Umsiedler“ aufgrund der Forschungsarbeit von Susanne Schlechter. In seinem hohen Alter hat Arnulf Baumann sich noch daran gemacht, die Biographie seines Vaters zu schreiben und dessen Wirken als Oberpastor in den Dreißigerjahren aufzuklären.

Arnulf Baumann gehört zu den produktivsten Beiträgern zur Geschichte und Kultur der Bessarabiendeutschen. Bereits 1968 war er Herausgeber der „Kirchlichen Nachrichten“ als Beilage des Mitteilungsblattes. Von 1999 bis 2020 war er Mitherausgeber des jährlich erscheinenden Heimatkalenders. Sein Cousin Dieter Schulz überreichte ihm zu Weihnachten 2021 einen Leitz-Ordner mit Ablichtungen aller von ihm in den Jahrbüchern erschienen Artikel – es sind über 500 Seiten geworden.

Ein so tätiges Leben mit Verpflichtungen auf mehreren Ebenen – man ahnt die gewohnheitsmäßige Nachtarbeit – lässt sich ohne die Unterstützung durch eine liebende Ehefrau nicht denken. Seine Frau Theda hat Arnulf Baumann in der Ausbildung kennengelernt. Sie heirateten im März 1962, bekamen drei Kinder und viele Enkelkinder und konnten vor kurzem ihre Diamantene Hochzeit feiern.

In freundschaftlicher Verbundenheit, gratulieren wir Dir, lieber Arnulf, herzlich zu Deinem diesjährigen, besonderen Geburtstag und wünschen Dir auch weiterhin Schaffenskraft und Gottes reichen Segen.