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Das Objekt Nr. 1 ist ein blauer Emaillekochtopf

Olaf Schulze · 11. Februar 2024
Emaillekochtopf in unserem Museum
Emaillekochtopf in unserem Museum
Unter dem Deckel vier verschiedene Rezepte  zum „Mitnehmen“.

Unter dem Deckel vier verschiedene Rezepte zum „Mitnehmen“.

Liebe Leserinnen und Leser,

auch Geschichte (und nicht nur die Liebe) geht offensichtlich „durch den Magen“.

Im neugestalteten und am 21. Januar diesen Jahres feierlich eröffneten Heimatmuseum der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen findet man in prominenter, gut sichtbarer Stelle in Raum 1 eine kleine Inszenierung von Objekten, verknüpft mit einer Informationstafel, die auf eine Fensterscheibe aufgezogen wurde.

„Wer hier den Deckel
vom Topfe hebt,
mit einem Rezept
nach Hause geht.“

… liest man unten rechts auf der Tafel und dazu folgenden Text: 

„Pfeffersoß“ und „Strudla“ die Küche der Bessarabiendeutschen

Das Ausstellungsstück Nr. 1 samt Butterfass  und Keramikeinmachgefäß für Saures an prominenter Stelle.

Das Ausstellungsstück Nr. 1 samt Butterfass und Keramikeinmachgefäß für Saures an prominenter Stelle.

Woran erkennt man in der Gegenwart des frühen 21. Jahrhunderts, über 80 Jahre nach der Umsiedlung 1940, einen Menschen bessarabiendeutscher oder auch dobrudschadeutscher Herkunft?

Die Sprache ist es kaum noch, zu sehr haben sich die jüngeren Generationen, vor allem die nach 1945 geborenen ihrer Umgebungssprache angepasst. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit üben auch nur noch ganz wenige aus, hier unterscheidet sie nichts von den übrigen Gegenwartsdeutschen. Verbindend sind die Geschichten – aus Bessarabien, der Dobrudscha, von der Umsiedlung, Lagerzeit, Ansiedlung in Polen und Flucht 1945, wenn sie erzählt und nicht verschwiegen werden.

Vor allem aber ist es die bessarabienbzw. dobrudschadeutsche Küche, die sich, zumindest an familiären Festtagen, erhalten hat, deren Rezepte von Generation zu Generation weitergegeben wurden und werden.

Und so haben sich „Grünborscht“, die berühmte warm oder kalt zu genießende „Pfeffersoß“ (also Paprikasoße) und die „Strudla“ als besondere Beilage nicht nur im Bewusstsein sondern auch auf den Tellern erhalten. Eine Vorliebe für Wassermelonen im Sommer kommt ebenfalls hinzu (die „Harbuse“ oder „Arbuse“) oder auch für „Mamlik“, eine Art Maisbreipolenta. In Bessarabien lernten die Deutschen, dass „Mais“ nicht nur „Viehfutter“ ist, sondern auch ein durchaus schmackhaftes „Menschenfutter“.

Ein blauer Topf aus Mathildendorf

Hochzeit von Johannes und Theresia Klett  am 11. April 1919 in Mathildendorf/ Bessarabien

Hochzeit von Johannes und Theresia Klett am 11. April 1919 in Mathildendorf/ Bessarabien

Dieser blau emaillierte Metalltopf mit Deckel hat eine besondere Geschichte. Er ist – seit den 1990er Jahren – das „Objekt Nr.1“ der Sammlung des Heimatmuseums. Der große Kochtopf stammt aus der Familie des Johannes Klett (1891-1972) aus Mathildendorf, der ältesten Tochterkolonie von Borodino, die 1858 gegründet wurde.

Wir haben das Glück, dass wir nicht nur diesen mindestens 84 Jahre alten Kochtopf samt Deckel in unseren Museumsbeständen haben, sondern auch Fotos der Familie Johannes Klett aus Mathildendorf in Bessarabien, den Besitzer des blauen Topfes, der noch in Bessarabien in Gebrauch war, der die Umsiedlung, Lagerzeit, Neuansiedlung in Polen und die Flucht im Januar 1945 überstanden hat. Zu den Fotos gehört auch das Hochzeitsfoto von Johannes und Theresia Klett… und Theresie wird aus diesem Topf im Laufe seiner aktiven Nutzung viele Speisen „gezaubert“ haben. 

Heute können die Besucher farblich gekennzeichnete Rezepte mit nach Hause nehmen, nachdem sie den Emailledeckel angehoben haben. In welchem Museum darf man das sonst noch? Hier heißt es ausdrücklich: „Berühren erlaubt.“

Ihr Olaf Schulze, Museumskurator