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Bemalte Holztruhe aus Borodino

Olaf Schulze · 22. August 2024
Die wunderschön bemalte Truhe in Raum 1 unseres  Museums
Die wunderschön bemalte Truhe in Raum 1 unseres Museums

Authentische Möbelstücke aus Bessarabien oder der Dobrudscha sind so gut wie nicht zu uns gekommen. Das hat seinen Grund in den Modalitäten und Vorschriften der Umsiedlung 1940. Möbel waren nicht erlaubt und mussten zurückgelassen werden. Eine gewisse, aber nicht häufige Ausnahme müssen die Truhen gewesen sein, je kleiner, desto besser. Diese konnte man gut mit Kleidern und Haushaltsgegenständen befüllen. Und so schaffte es auch unsere schön bemalte hölzerne Truhe aus Bordino „heim ins Reich“, dann nach Polen. Sie wurde bei der Flucht im Januar 1945 erneut eingeladen und gelangte schließlich in den Bestand des Heimatmuseums.

Nach der Umgestaltung steht sie nun als Blickfang im ersten Raum, gleich neben dem Rednerpult und unterhalb der weißen Wand, auf der wir Videos über den Beamer zeigen. Sie ist aber nicht nur ein reines „Schauobjekt“. Ihr aktueller Inhalt kommt bei Führungen häufig zum Einsatz. Ein typischer Männer-Wintermantel („Burke, Burka“), wie sie häufig bei der Umsiedlung getragen wurden, und eine „Pudelkapp“ vom Karakulschaf liegen in ihr bereit. Und schon mancher Ehemann oder erwachsener Enkel hat sie angezogen und sich damit fotografieren lassen. Oft sind die Besucher über die Qualität, die Dichte des Wollstoffes und das hohe Gewicht verwundert.

Doch zurück zur Truhe. Sie ist mit Pflanzenornamenten bemalt. Recht kunstvoll wechseln sich zwei Motive an den vier bemalten Seiten ab – die Rückseite ist holzsichtig. Dies zeigt, dass die Truhe nicht frei im Raum stand, sondern vor einer Wand. Das Schloss und die Scharniere sind vermutlich handgeschmiedet. Im Deckelinneren befindet sich ein Schriftzug, mit etwas Mühe lesen wir „Daniel Gräßle“ und „Borodino“, die Umsiedlernummer darunter ist nur fragmentarisch erhalten. Das Jahr „1860“ ist auf der Vorderseite zentral verewigt. Damals kam die neue Truhe in die Familie Gräßle, vielleicht bei einer Hochzeit, als Geschenk, als Teil der Aussteuer. Mit etwas Aufwand ließen sich sicher noch Details über die Geschichte der Truhe herausfinden. Wussten Sie, dass im Mittelalter aus aufeinandergestellten Truhen die ersten Schränke entstanden? Die Truhen sind kulturgeschichtlich sehr alte Möbelstücke. Die liegende Lagerung der Textilien ist von Vorteil, sie beansprucht den Stoff nicht so stark wie die Hängung auf einem Bügel oder gar an einem Nagel. Unsere schöne Truhe aus Borodino spricht auch für die Freude der Kolonisten an der Dekoration, wie es sich auch in vielen mit Sinnsprüchen bestickten Textilien zeigt, die sich in unserem Museumsbestand befinden.