Ausstellung: Die Dobrudschadeutschen in Karamurat

Reiner Schaal
Im Rahmen einer Dobrudschareise vom 30.08. bis zum 08.09.2024 von Bukarest über Russe (BG), Constanta, das Donaudelta und Tulcea zurück nach Bukarest war es ein schöner Zufall, dass die 18 Personen umfassende Reisegruppe unter Leitung von Titus Möllenbeck, Bildungsreferent der Akademie Erbacher Hof im Bistum Mainz und Mitglied des erweiterten Vorstandes im Bessarabiendeutschen Verein, an der Ausstellungseröffnung in Karamurat – heute Mihael Kogălniceanu – teilnehmen konnte. Als dritter Redner nach der Bürgermeisterin Ancuta-Daniela Belu und dem Historiker und ehemaligen Kultusminister Dr. Puiu Haşotti führte Titus Möllenbeck folgendes aus – das Grußwort wurde von Cristiana Scărlătescu, Redakteurin der Allgemeinen Deutschen Zeitung (ADZ), aus dem Deutschen ins Rumänische übersetzt:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Bekannte,
ich darf mich zunächst kurz vorstellen: Mein Name ist Titus Möllenbeck – ich begleite zusammen mit dem Historiker und Südosteuropaexperten Tilo Lothar Krauße eine 16 Personen umfassende Gruppe auf einer Reise durch die rumänische Dobrudscha. Auch wenn wir schon öfter in der Dobrudscha bzw. in Rumänien unterwegs waren und meine Mutter eine 1932 in Malkotsch bei Tulcea geborene Dobrudschadeutsche ist: Nu vorbesc romăneşte (ich spreche kein rumänisch - leider).
Die Reise findet in Kooperation mit Dr. Heinke Fabritius statt, der Kulturreferentin für Siebenbürgen, den Karpatenraum, Bessarabien und die Dobrudscha. Sie musste leider die Reise krankheitsbedingt absagen, lässt aber herzliche Grüße ausrichten und ist in Gedanken sicher bei uns – so wie auch der Vorstand des bessarabien- (und dobrudscha-) deutschen Vereins in Stuttgart, u.a. die Vorsitzende Frau Brigitte Bornemann und Stellvertreter Heinz Oertel sowie der Geschäftsführer Hartmut Knopp, dessen Mutter Gertrud Knopp-Rüb die letzte Vorsitzende des dobrudschadeutschen Vereins gewesen ist, bevor dieser 2008 in den Bessarabiendeutschen Verein integriert wurde. Vor dieser Reise habe ich etwas zu Karamurat recherchiert und ich darf Ihnen eine vielleicht doch überraschende Neuigkeit mitteilen: Ob Sie es glauben oder nicht – mein Vorname hat auch etwas mit der Geschichte der Deutschen in Karamurat zu tun. Denn einige meiner Vorfaren stammen aus diesem Ort. Mein Ururgroßvater war z.B. der sehr wohlhabende Michael Ternes, dem das Ackerland gehört haben soll, wo heute der Flughafen liegt, der ja in den nächsten Jahren von den Amerikanern zu einem „rumänischen Ramstein“ ausgebaut werden soll. Die Mutter meiner Großmutter Filomena Türk (*1910) kam auch aus Karamurat und sie hatte einen jüngeren Bruder mit Namen Marcus Türk (*1917). Der fand im katholischen Malkotsch anscheinend keine passende Frau, so dass er im katholischen Karamurat suchte und fündig wurde. Er heiratete 1936 die in Karamurat geborene Portiunkula Ruscheinski (*1916) und gründete mit ihr in Malkotsch eine Familie, denn im Frühjahr 1938 bekamen sie Nachwuchs – einen Sohn, dem die jungen Eltern einen besonderen Namen gaben: Titus! Dieser Vornamen soll über eine Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg in die Familie gekommen sein und der kleine Titus war der erste männliche Nachkomme, dem die Ehre dieses Namens zuteil werden konnte – vorher waren „nur“ Mädchen geboren worden, z.B. meine Mutter Anna. Entsprechend war die Freude über den Stammhalter groß und es soll feucht-fröhlich in der Wirtschaft von Malkotsch zugegangen sein.
Aber es folgten nach der Freude bald zwei dramatische Ereignisse: Der kleine Titus soll in einem unbeobachteten Augenblick vom Tisch auf den Kopf gefallen sein und war seither in seiner Entwicklung stark retardiert bzw. behindert. Und das geheime Zusatzabkommen des Hitler-Stalin-Paktes hatte das Schicksal – nicht nur – der Dobrudschadeutschen besiegelt: die Umsiedlung „heim ins Reich“, wobei die meisten Dobrudschadeutschen nach langem Lagerleben schließlich im Sudetenland, dem Warthegau und im Generalgouverment angesiedelt wurden.
Das Schicksal hat es auch mit dem kleinen Titus weiter nicht gut gemeint: Die Mutter Portiunkula stirbt im November 1941 im Lager in Werneck mit einem zweiten ungeborenen Kind im Leib. Im nächsten Lager in Schlackenwerth (heute Ostrov nad Ohri) im Sudetenland wird der kleine Halbwaise Titus im Sommer 1942 im Alter von vier Jahren zur Behandlung abgeholt. Einige Tage später kommt die Nachricht, dass er bei der „Behandlung“ verstorben sei. Wahrscheinlich wurde er im Rahmen der T4 Aktion bzw. des Euthanasieprogrammes des NS-Regimes als „unwertes Leben“ getötet. Wie auch immer: 17 Jahre später bei meiner Geburt hat man sich an den kleinen Titus bzw. sein Schicksal erinnert und mir den Namen „Titus“ gegeben, der ja, wie beschrieben, über seine Mutter Portiunkula einen direkten Bezug zu Karamurat hat. Vielleicht ist sie ja sogar auch auf einem der ausgestellten Fotos abgebildet?!
Von daher ist es mir auch ein persönliches Anliegen, die Ausstellung „Deutsches Leben in Karamurat vor 1940“ mit einem Grußwort miteröffnen zu dürfen. Ich darf an dieser Stelle einen besonderen Dank an die Schwestern Andreea und Julia Wisoşenschi aussprechen, auf deren Initiative diese Ausstellung zurückgeht; die Schwestern haben von den deutschen Wurzeln ihres verstorbenen Vaters erfahren, weiter geforscht und wurden schließlich zu dieser Ausstellung inspiriert. Danken darf ich abschließend auch noch einmal für die Unterstützung von Dr. Heinke Fabritius, die die kuratorische Arbeit der Wisoşenschi-Schwestern maßgeblich unterstützt hat – genauso wie der schon genannte Bessarabien- (und dobrudscha-) deutsche Verein, der die Bilder vom Leben der Deutschen in Karamurat (1876 bis 1940) zur Verfügung gestellt hat. Der Dank gilt ferner auch der Gemeinde von Karamurat, die die Räume im hiesigen Kulturhaus zur Verfügung gestellt hat und die es heute wertzuschätzen weiß, was die Deutschen in den gut 60 Jahren ihrer Anwesenheit in und für Karamurat geleistet haben. Ich komme zum Ende: îi doresc expoziţiei un rezonanţa bun şi mult succes! Foarte mulţumesc. (Ich wünsche der Ausstellung eine gute Resoanz und einen großen Erfolg. Herzlichen Dank!)
Titus Möllenbeck (2024-09-14)