Was wurde aus den ehemals deutschen Kirchen in der Dobrudscha?

Tobias Weger, 2019
In der Fachliteratur zur Kultur und Geschichte der Dobrudscha spielen die ehemaligen deutschen Kolonisten, die im Jahr 1930 knapp über zwei Prozent der regionalen Bevölkerung ausmachten, noch immer eine wichtige Rolle. In der 2022 erschienenen Monografie von Ion Rîșnoveanu, Viața cotidiană în Dobrogea interbelică [Das Alltagsleben in der Dobrudscha der Zwischenkriegszeit], sind sie etwa gut vertreten. Die materiellen Hinterlassenschaften der Deutschen haben allerdings in den Jahrzehnten seit der von den NS-Behörden forcierten Umsiedlung im Herbst 1940 einen Wandel durchgemacht. In der Zeit der kommunistischen Herrschaft sind zahlreiche Gebäude verfallen oder stark verändert worden. Friedhöfe hat häufig Unkraut überwuchert, die Inschriften der Grabsteine werden von Jahr zu Jahr schwächer lesbar. In vielen Dörfern wurden ab 1940 anstelle der Deutschen, die das Land verlassen hatten, Aromunen (Mazedorumänen) angesiedelt, die ihrerseits erst in der Zwischenkriegszeit aus diversen Balkanstaaten in die seinerzeit rumänische Süddobrudscha (Cadrilater) zugezogen waren. Sie hatten nach dessen Rückgliederung an Bulgarien im Zuge des rumänisch-bulgarischen Bevölkerungsaustauschs von 1940 das Cadrilater verlassen müssen.
Sehr unterschiedlich war die Entwicklung der Gotteshäuser, die die Deutschen 1940 zurückgelassen hatten. Von den katholischen Kirchen der Norddobrudscha verblieben St. Georg in Malcoci/Malkotsch und St. Anton in Mihail Kogălniceanu, dem früheren Caramurat, in der Zuständigkeit des Erzbistums Bukarest. Ein Erdbeben und eine unsachgemäße Instandsetzung führten dazu, dass die Kirche in Malcoci in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einer Ruine verfiel. In Mihail Kogălniceanu hingegen bildete sich eine neue Gemeinde von Csangos, katholischen Moldauern. Mit Unterstützung der katholischen Kirche in Deutschland konnte das Gotteshaus in den letzten Jahren in einem hervorragenden Zustand erhalten bleiben, einschließlich der originalen Ausstattung aus der Erbauungszeit.
Die erst in den 1930er-Jahren vollendete Kirche von Colelia hingegen wurde zunächst 1941 in ein rumänisch-orthodoxes Gotteshaus umgewandelt, als sich auch dort Aromunen und Rumänen niederließen. Allerdings fiel das abgelegene Dorf in den 1960er-Jahren der „Systematisierung“ zum Opfer: Eines Tages kamen Bulldozer und machten alle Häuser dem Erdboden gleich. Lediglich die solide gebaute Kirche blieb stehen, wurde profaniert und schließlich in einen Schafstall umgewandelt. Es blieben nur die Außenmauern stehen, während das Dach einstürzte. Nach dem Fall des Ceaușescu Regimes kam eines Tages eine orthodoxe Nonne an diesen entweihten Ort. Sie beschloss, die Kirche wieder aufzubauen und hier ein Kloster zu errichten. So kam es, dass die Klosterkirche, die heute bunte Wandmalereien und eine Ikonostase zieren, so gar nicht dem Muster einer orthodoxen Kirche (Doppeltürme, Kuppeln) entspricht. Im kleinen DevotionalienLaden sind Fotos von Colelia aus unterschiedlichen Phasen aufgehängt. Die Nonnen sehen sich heute auch als Wahrer des Erbes der einstigen deutschen Dorfgründer.
Das evangelische Leben erlosch 1940 weitgehend in der Dobrudscha. Der frühere Lehrer Gotthilf Weingärtner, der sich nicht hatte umsiedeln lassen, wurde nach Kriegsende von der Kirchenleitung in Hermannstadt/Sibiu als Pastor der Restgemeinde von Constanța/Konstanza eingesetzt. Allerdings wurde die evangelische Kirche am Bulevardul Tomis 1963 auf Befehl des Regimes abgebrochen, angeblich, weil die Blicke von der gegenüber aufgestellten Ehrentribüne während der Aufmärsche zum 1. Mai nicht auf ein christliches Gotteshaus fallen sollten.
Weingärtner wurde die ehemalige bulgarisch-orthodoxe Kirche in der Altstadt übertragen; nach seinem Tod und der Aussiedlung zahlreicher Gemeindeangehöriger ging die ehemalige bulgarische an die rumänisch-orthodoxe Kirche über.
Zahlreiche früher evangelische Kirchen und Bethäuser auf den Dörfern wurden bereits während des Zweiten Weltkriegs orthodoxe Gotteshäuser. Die schlichte protestantische Ausstattung wich häufig einer farbenprächtigen Neugestaltung. Auf diese Weise blieben die Kirchen aber immerhin in ihrer Grundsubstanz erhalten. In Atmagea/Atmadscha, Albești (ehem. Sarighiol), Cogealac/Kodschalak, Tariverde und an zahlreichen weiteren Orten kann man diese umgewandelten, ehemals evangelischen Kirchen finden.
In den 1930er-Jahren bekannten sich etwa 10 Prozent der Deutschen in der Dobrudscha zum Baptismus. Die deutsche Baptistenkirche in Mangalia wurde nach 1940 verstaatlicht; jahrzehntelang diente sie unterschiedlichen Zwecken, unter anderem als Schulungsraum und als Werkstatt. Erst nach der politischen Wende in Rumänien wurde das Gebäude der rumänischen Baptistengemeinde in Mangalia restitutiert, die es seither als „Biserică ‚Emanuel‘“ wieder religiös nutzt.
Spricht man vom Verlust bzw. von der Umwandlung religiöser Gebäude in der Dobrudscha, so sind die Deutschen keineswegs ein Einzelfall. Der enorme demografische Wandel, den diese Region in den letzten 150 Jahren durchgemacht hat, betraf auch andere Gruppen. Wem ist heute bewusst, dass die bekannte „Eingegrabene Kirche“ (Biserica Îngropată) in Istria, nördlich von Constanța – heute eine rumänisch-orthodoxe Dorfkirche – ursprünglich 1857 als Toleranzkirche für die bulgarische Dorfgemeinschaft errichtet worden ist, die 1940 im Zuge des rumänisch-bulgarischen Bevölkerungsaustauschs den Ort verlassen hat? Gleiches gilt für die 1852 erbaute St.-Georgs-Kirche in Tulcea/Tultscha, wegen ihrer Turmuhr im Volksmund auch „Biserica cu Ceas“ (Kirche mit Uhr) genannt. Nach dem Exodus der meisten Moslems aus der Dobrudscha nach Anatolien seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sind Dutzende Dorfmoscheen verschwunden. Constanța besaß vor dem Zweiten Weltkrieg zwei Synagogen, eine sefardische und eine aschkenasische – beide übrigens Werke des aus Siebenbürgen stammenden Architekten Adolf Linz.
Als die eine beim Erdbeben 1977 stark zerstört wurde, war das für die kommunistischen Stadtbehörden ein willkommener Anlass, die Ruine zu beseitigen und dort einen Parkplatz zu schaffen. Die andere, mitten im Zentrum der Altstadt, ist inzwischen in einem vergleichbar bedauerlichen Zustand wie die Ruine der Kirche von Malcoci. In beiden Fällen gab es immer wieder Initiativen für eine Sicherung oder einen Wiederaufbau. Es bleibt die Erinnerung an eine Landschaft, deren vielfältige Gotteshäuser die religiöse und konfessionelle Vielfalt ihrer Bewohner markierten.