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Quelle des Stammbaums im Schwarzwald gefunden

Gerhard Treichel · 13. Februar 2025
Gertrud Lehrbach (r.) mit Gerhard Treichel, Viktor Fritz und dem Ehepaar Ruth und Horst Bulmer
Gertrud Lehrbach (r.) mit Gerhard Treichel, Viktor Fritz und dem Ehepaar Ruth und Horst Bulmer

Das besondere Weihnachtsgeschenk für Gertrud Lehrbach in Emmingen

Karte Emmingen

Karte Emmingen

Seit Jahren forscht Gerdrud Lehrbach, geborene Balmer, eine Deutsch-Brasilianerin aus Mondai/Brasilien, nach dem Ort ihrer Vorfahren in Deutschland. Viele Reisen hatte sie seither unternommen. Aus ihrem Familienbuch war bekannt, dass ihr Stammbaum mütterlicherseits in Emmingen bei Nagold wurzelte, so auch Angaben im Teplitzer Heimat-Buch der Bessarabiendeutschen.

Eingeladen von Freunden aus Ludwigsburg, wurde ihr angeraten doch mal einen Versuch zu starten, und in Emmingen bei Nagold auf Spuren-Suche zu gehen. Gemeinsam mit Viktor Fritz vom Verein der Bessarabiendeutschen und Gerhard Treichel, Schriftsteller, machte sie sich am 16. Dezember 2024 auf den Weg nach Emmingen bei Nagold.

Momente der Überraschung

Ein Dorfbewohner verwies sie auf ein Haus, in dem ein Bulmer wohne. Zaghaft klingelten sie; würde jemand zu Hause sein? Im ersten Geschoss öffnete sich ein Fenster, eine Frau schaute heraus. Gerdrud Balmer stellte sich vor, sie sei auf der Suche nach ihren Vorfahren in Emmingen. Sie wurden von Horst Bulmer und seiner Frau Ruth freundlich ins Haus gebeten. Man kam ins Gespräch.

Dort geschah das Wunder, der wundersame Kreis des Familienstammbaums Bulmer schloss sich in diesen Weihnachtstagen nach 200 Jahren. Der bessarabische Zweig Balmer fand zum Stammbaum Bulmer in Emmingen.

Wurzeln des Stammbaums

Gertrud Lehrbach studiert die Familienchronik der Bulmers

Gertrud Lehrbach studiert die Familienchronik der Bulmers

Überaschend war, als Horst Bulmer seine Familien Chronik auf den Tisch legte. So konnten die Namensdaten verglichen werden und tatsächlich: Die persönlichen Daten des Johann Georg Bulmer, 21.01.1759, seiner Frau Magdalena Weitprecht geb. 08.01.1759, in Emmingen, wanderten um 1802 zunächst nach Polen, später nach Bessarabien aus, verstarb 04.04.1820 in Teplitz. Die Daten Balmers aus dem Heimat-Buch Teplitz/Bessarabien waren authentisch mit der Familien-Chronik von Horst Bulmer, Emmingen. Sichtbar wurde auch, dass sich der Name Balmer, Pulmer, Bulmer mehrmals umwandelte.

Gemeinsam mit 32 anderen Familien aus Teplitz wanderte Gertruds Großvater Benjamin Balmer mit seiner Frau und Tochter Lydia Balmer, geboren 23. 02.1921 in Teplitz, im Jahre 1928 nach Porto Feliz (Mondai) Brasilien aus. Dort wurde Gertrud am 09.03. 1955 geboren.

Schwaben-Welle nach Bessarabien vor 200 Jahren

Karte der Kolonien in Bessarabien

Karte der Kolonien in Bessarabien

Den historischen Bogen umriss Gerhard Treichel. Mitte des 19. Jahrhunderts folgten tausende Schwaben (Bauern und Handwerker) den Verlockungen Zar Alexanders. Der Zar war dynastisch eng mit dem Königtum Württemberg verbunden und tief verwurzelt im Pietismus. Im Schwabenland herrschte eine gewaltige Aufbruchsstimmung. Geleitet von ihrem tief verwurzelten pietistischen Glauben folgten viele Schwaben den Endzeit-Verheißungen Johann Albrecht Bengels, der für 1836 die Wiederkunft Jesus Christus‘ in Südrussland (Kaukasus/Schwarzes Meer) berechnete.

Ein Großteil der Auswanderer fuhr mit der legendären Ulmer Schachtel auf der Donau ans Schwarze Meer, dann auf dem Landweg nach Tarutino, dem Zentrum der Besiedelung. Bessarabien/Odessa wurde zum eigenständigen Verwaltungszentrum der Kolonien erhoben.

Viktor Fritz erläuterte den Beginn der Besiedlung der Steppe von Bessarabien 1815. Die Zaren-Regierung lockte schwäbische Bauen und Handwerker mit besonderen Privilegien nach Russland, garantierten den Kolonisten neben Religionsfreiheit, Bewahrung der Deutschen Kultur, einschließlich Sprache, Erlass von Steuern, Befreiung vom Militärdienst. So folgte auch der Zimmermann Johann G. Bulmer dem Angebot des Zaren, zog mit seiner Familie in die Steppe am Schwarzen Meer. Im Laufe der Jahrzehnte, so Fritz, gelangten die Schwaben-Dörfer zu Reichtum und Wohlstand. Doch Jahrzehnte später, 1871, setzte eine deutschfeindliche Politik der Zaren ein. Wesentlicher Grund war der wachsende Neid der Russen auf den Wohlstand blühender, schwäbischer Dörfer, berichtet Treichel, in der Folge setzte eine große Auswanderungswelle nach Nord- und Südamerika ein. Mit der Oktober-Revolution 1917 und der Übernahmen der Herrschaft der Kommunisten in Russland, setzte eine exzessive Diskriminierung gegenüber den deutschen Siedlern ein. Damit verbunden die Enteignung der Bauern, brutale Zerstörung Hunderter deutscher Kolonien, Tausende Siedler wurden verschleppt in die stalinistischen Gulag-Lager. In denen Tausende Deutsche ermordet wurden, dies traf auch viele Bessarabiendeutsche, die zur Krim und nach Sibirien zogen. Sie wurden in der Sowjetzeit für vogelfrei erklärt, ergänzte Treichel.

Glück hatten die Kolonisten in Bessarabien, so Viktor Fritz, die Region zwischen Truth und Dnjestr wurde von Rumänien okkupiert, blieb von Stalins Terror verschont. Doch die deutschen Bewohner spürten allgegenwärtig die Gefahr, die seit 1927 von Stalins Rotem Terror ausging. Die bessarabiendeutschen Kolonisten wurden ihrer Früchte durch Stalin beraubt.

Neue Heimat der Bulmers in Porto Feliz, Brasilien

Porto Feliz (Mondai), Brasilien

Porto Feliz (Mondai), Brasilien

Weitere 82 Familien aus Sibirien kamen 1932 nach Porto Feliz. Diese Bessarabiendeutschen siedelten nach dem Japanisch-Russischen Krieg 1905 in der Region Novosibirsk, Tomsk an. Sie erlebten seit 1928 die Hölle in Sowjetrussland, waren auf der Flucht vor den Schergen Stalins, gerieten in die Vernichtungs-Maschinerie Stalins, Tausende Deutsche endeten in Stalins Gulag. Hunderte Familien flohen über den Amur nach China, gelangten von Shanghai aus per Schiff nach Brasilien. Dort fanden sie in Porto Feliz im Bundestaat Santa Catherina eine neue Heimat.

Mit der Ansiedlung der geflüchteten Bessarabiedeutschen erlebte Porto Feliz einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Porto Feliz, glückliches Tor, in den Westen St. Catharina (Perle am Rio Uruguay).

Heute ist Mondai eine wohlhabende Stadt, Grundlage der Wirtschaft bilden Mittelständische Unternehmen wie der Möbelhersteller Deiss, Nachfahre aus dem früheren Teplitz. Neben der Amtssprache Brasilianisch pflegen die Deutschen ihre Sprache, Kultur und Religion. Nicht selten hört man in den Bundesstaaten Santa Catharina und Rio Grand dos Sul schwäbischen und Hunsrück Dialekt. Neben Dampfnudeln und Strudeln werden in den Küchen Maultaschen und Spätzle gekocht. Ihre Gärten sind auf Grund des subtropischen Klimas blühende Oasen, in denen neben dem herkömmlichen Gemüse und Beeren auch Bananen, Orangen und Papayas gedeihen. Nicht selten ertönt aus ihren Häusern der Ruf schwäbischer Kuckucksuhren, erzählt Gertud Lehrbach.

Betrachtet man die einzelnen Entwicklungsetappen in Emmingen, Teplitz und Mondai, ist unschwer zu erkennen, was das Besondere an den Schwaben ist: Sie sind bekannt für Schaffe, Bruddla und Tüfteln. Wo sie aufkreuzen entwickelt sich Wohlstand. Nicht nur im Ländle, dies ist weltweit zu beobachten, ob in den USA, Kanada oder in Mondai. Es sind wahrscheinlich die Gene und ihr Glauben, der sie antreibt.<7p>