Flüchtlingslager Öksböl in Dänemark
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Erika Wiener
Es ist kaum bekannt, dass am Ende des Zweiten Weltkrieges in Dänemark mehrere Lager für tausende deutsche Flüchtlinge und Vertriebene errichtet wurden. Die meisten Flüchtlinge stammten aus Westund Ostpreußen, aus Masuren und Pommern, aber auch einige aus Bessarabien.
Ich nahm teil an einer Informationsfahrt nach Esbjerg/Dänemark, die der BdV Niedersachsen organisiert hatte. Wir besuchten das größte Lager an der Westküste Jütlands, das Lager Oksböl bei Esbjerg, in dem von 1945 bis 1949 ca. 35.000 Flüchtlinge lebten. Die Geschichte des Lagers ist spannend, aber auch ausgesprochen bewegend. Teilnehmer der Reise waren Landesvertreter einzelner Vertriebenenverbände.
Auf dem Gebiet des deutschen Lagers, in Oksböl, wurde 2022 von der dänischen Königin Margarethe II und dem deutschen Vizekanzler, Robert Habeck, ein beeindruckendes Fluchtmuseum eröffnet, in dem die Dänen diesen Teil ihrer eigenen – aber auch unserer Geschichte – selbstkritisch aufarbeiten.
John V. Jensen hat ein interessantes Buch über die Deutschen auf der Flucht geschrieben. Dieses Buch zeigt eindrucksvoll die problematische Situation der deutschen Flüchtlinge, aber auch die der Dänen am Ende des Zweiten Weltkrieges auf. Das Buch ist in der Bibliothek unseres Heimathauses einzusehen.
Der Besuch des Museums ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Moderne Museumspädagogik ermöglicht es, in die persönlichen Lebensumstände der Zeitzeugen einzutauchen, sie kennenzulernen, mit ihnen zu bangen und zu hoffen und auch mit ihnen zu leiden. Die Ausstellungen weckten auch bei mir tiefe Emotionen. „Es ist dem Team um John V. Jensen gelungen, die unterschiedlichen Geschichten von Flucht und Vertreibung damals und heute durch persönliche Zeitzeugenberichte spannend und lebendig zu machen. Außerdem werden die schwierigen Lebensumstände der Deutschen im Lager Oksböl ausgesprochen realistisch wiedergegeben,“ meinte Editha Westmann, Vorsitzende des BdV Niedersachsen und Initiatorin der Reise.
Im Lager fand eine Demokratisierung statt. Hier sollten die Insassen auf eine Demokratie im Nachkriegsdeutschland vorbereitet werden. Unter Aufsicht der dänischen Behörden gab es eine deutsche Lagerzeitung, eine Selbstverwaltung, Schulen und Gottesdienste. Gesprochen und unterrichtet wurde nur in Deutsch. Dänisch wurde nicht gelehrt. In Werkstätten wurde alles produziert, was zum täglichen Leben benötigt wurde. Jeder hatte eine Beschäftigung. Gearbeitet wurde unentgeltlich.
Täglich wurden 15.000 Brote gebacken. Da die meisten Lebensmittel nur schwer zu bekommen waren, führte dies zu einer unzureichenden Versorgung der Menschen. Kaffee, Tee und Tabak gab es nicht im Lager. Das Lager glich einem eigenständigen Ort auf nur vier Quadratkilometern, welcher, mit einem hohen Zaun gesichert, nicht verlassen werden durfte. Auch Dänen hatten keinen Zutritt zum Lager. Kontakte zwischen Dänen und Deutschen waren unerwünscht, sogar strafbar. Selbst dänische Ärzte sollten das Lager nicht betreten. So war die ärztliche Versorgung der Flüchtlinge mangelhaft. Die letzten Deutschen verließen erst im Jahr 1949 das Lager Oksböl.
Im Anschluss an den Museumsbesuch legten wir einen Kranz vor dem drei Meter hohen Bronzekreuz auf der Kriegsgräberstätte nieder. Auf dem Friedhof sind 1.675 deutsche Flüchtlinge und Vertriebene bestattet, darunter auffallend viele Säuglinge, Kinder und Jugendliche, die insbesondere in den ersten Monaten nach der Ankunft im Lager verstarben. Außerdem befinden sich dort auch die Gräber von 121 deutschen Soldaten.
Am zweiten Tag besuchten wir die Bildungsstätte der Deutschen Minderheit in Nordschleswig, wurden von dem Vorsitzenden, Hinrich Jürgensen, zu einem Rundgang auf dem Knivsberg an der dänischen Ostseeküste eingeladen und hatten von der Aussichtsplattform einen guten Überblick auf die zahlreichen Freizeitanlagen. Wie wir erfuhren, verfügt die deutsche Minderheit u.a. über ein Internat und Kindergärten. Das Engagement der Minderheit im kulturellen und politischen Bereich ist beeindruckend.
Die Fahrt nach Dänemark war für mich ein außergewöhnliches Erlebnis mit vielen neuen Eindrücken und einer Fülle von Informationen. „Die Fahrt hat uns allen deutlich gemacht, wie kostbar ein friedliches Miteinander mit unseren europäischen Nachbarn ist. Und die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte ist ein ganz starkes Symbol des Friedens und der Aussöhnung“, betonte Editha Westmann in ihrer Abschlussrede.
Auch ich bin sehr froh, an dieser Reise teilgenommen zu haben.
Zitate von Editha Westmann aus: BdV
aktuell – Landesverband Niedersachsen e.V.,
2. Quartal 2023, S.1ff.