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5 Jahre Gedenktag der Verschwundenen Umsiedler

Brigitte Bornemann · 14. November 2024
Zum fünften mal Gedenktag
Zum fünften mal Gedenktag

Eingerichtet zur 80-Jahr-Feier der Umsiedlung am 25. September 2020, fand der diesjährige Gedenktag am 20. September 2024 schon zum 5. Mal statt – ein kleines Jubiläum, sagte Bundesvorsitzende Brigitte Bornemann in ihrer Begrüßungsansprache, bei dem es angebracht ist, nachdenklich zu werden und neue Impulse zu suchen. Das Programm der heutigen Feierstunde bot hierfür einige Ansätze.

Zunächst aber schritt die Feier in gewohnter Weise voran mit der Andacht von Pfarrerin Andrea Aippersbach, die über Hoffnung und Zuversicht sprach, und dem wie immer sehr berührenden Kerzenanzünden an der Gedenkstätte mit Raum für das persönliche Gedenken der Teilnehmer. Die musikalische Begleitung von Birgit Maier-Dermann und Oliver Dermann schuf hierfür einen würdevollen Rahmen.

Susanne Schlechter freut sich über ihre Goldene Ehrennadel

Susanne Schlechter freut sich über ihre Goldene Ehrennadel

Nächster Höhepunkt war die Auszeichnung von Frau Dr. Susanne Schlechter mit der Goldenen Ehrennadel des Bessarabiendeutschen Vereins. In ihrer Laudatio würdigte Brigitte Bornemann die herausrragenden Verdienste von Susanne Schlechter, deren wissenschaftliche Arbeit unserem Gedenktag und der Gedenkstätte der Verschwundenen Umsiedler zugrunde liegt. Seit 2007 forscht die Kulturwissenschaftlerin aus Oldenburg über die NS-„Euthanasie“ im Zusammenhang mit den Bessarabiendeutschen. Erst im letzten Jahr erschien ihr Buch „Verschwundene Umsiedler“ mit den aktualisierten Ergebnissen ihrer ersten Studie, die den Nachlass einer „braunen Schwester“ im Bessarabien-Einsatz auswertet. Noch nicht gedruckt ist ein zweites Werk, 58 detailliert recherchierte Fallgeschichten von Verschwundenen, aus denen wir bei den vergangenen Gedenktagen oftmals vorgetragen haben. Nicht zuletzt verdanken wir Susanne Schlechter die zentrale Tafel unserer Gedenkstätte, eine Liste mit 210 Namen von Personen, die während der Umsiedlung in einer Krankenanstalt zu Tode gekommen sind. Die Geehrte nahm die Auszeichnung gerne an und erzählte noch interessante Einzelheiten aus ihrer Forschungsgeschichte.

Thomas Stöckle, Brigitte Bornemann, Hartmut Knopp

Thomas Stöckle, Brigitte Bornemann, Hartmut Knopp

Dann war es Zeit für die Vorträge. Dr. Hartmut Knopp, Bundesgeschäftsführer des Bessarabiendeutschen Vereins, berichtete über sein Seminar „Flucht, Vertreibung und Migration“ am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium der Akademie für Kommunikation in Stuttgart. Zwei Schülerinnen waren mitgekommen und stellten uns ihre Abschlussarbeiten vor. Nelia Hägele präsentierte ihren Vortrag „Posttraumatische Belastungsstörungen“, Janina Bockermann sprach über „Transgenerationale Traumata“. Beide konnten sich über herzlichen Applaus freuen.

Den Hauptvortrag hielt Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte Grafeneck, zum Thema „‘Euthanasie‘ im Nationalsozialismus“. Sehr informativ und anschaulich erzählte er von Schloss Grafeneck, seiner unrühmlichen Geschichte im Rahmen der Euthanasie-„Aktion T4“ und dem Aufbau der heutigen Gedenkstätte mit Dokumentationszentrum, das jährlich um 30.000 Besucher betreut.

Die Gedenkstätte auf Schloss Grafeneck liegt nicht weit von Stuttgart

Die Gedenkstätte auf Schloss Grafeneck liegt nicht weit von Stuttgart

Grafeneck war die erste von sechs Tötungsanstalten der „Aktion T4“, deren Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, in den Jahren 1940–1941 den Massenmord an Menschen mit Behinderungen durch Vergasung plante und koordinierte, ein Vorläufer der späteren industriellen Judenvernichtung. In Grafeneck wurden in 12 Monaten 10.654 Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen ermordet. Die Opfer kamen überwiegend aus Bayern, während die einheimischen Behinderten zur Tötung in andere Länder überführt wurden. Denn, so führte Thomas Stöckle in vielen weiten Aspekten aus, die Täter legten größten Wert darauf, kein Aufsehen zu erregen und keine Beweise zu hinterlassen. Hieraus entspann sich ein Fachgespräch unter den anwesenden Wissenschaftlern, die u.a. auf das erkennbare Unrechtsbewusstsein der nationalsozialistischen Akteure hinwiesen. Die auf Verschleierung angelegten Strukturen erschweren es heute noch, im Einzelfall ein eindeutiges Urteil zu fällen, sei es vor Gericht oder in einer wissenschaftlichen Studie, erläuterte Susanne Schlechter.

Referentinnen des Schulprojekts vor unserer Gedenkstätte

Referentinnen des Schulprojekts vor unserer Gedenkstätte

Bei der abschließenden Kaffeetafel gingen die Gespräche weiter, es wurden persönliche Geschichten erzählt, und es kamen einige gute Vorschläge zusammen, wie wir künftig den Gedenktag gestalten wollen.

Als Ergebnis des Gedenktags beschloss kurz darauf die Historische Kommission, eine Tafel unserer Gedenkstätte neu zu gestalten. Die jetzige didaktische Darstellung leistet dem Missverständnis Vorschub, die bessarabiendeutschen Verschwundenen seien ebenfalls vergast worden. Tatsächlich entgingen sie knapp diesem Schicksal, denn die Massenvergasungen an Behinderten waren ruchbar geworden und wurden im August 1941 eingestellt. Die Krankenmorde aber gingen weiter, in Einzelmaßnahmen durch Sedieren und Verhungernlassen starben bis Kriegsende mehr als 200.000 Menschen (Wikipedia).